Obsorge: Keine Einigung in Sicht

Sollen Kinder nach der Scheidung automatisch von beiden Eltern weiter betreut werden? Eine schwierige Frage, auch für die Regierungsparteien, die um eine Einigung bei der Frage der gemeinsamen Obsorge bei Kindern ringen. Diese Einigung ist derzeit noch in weiter Ferne. Aus der Sicht der Kinder appelliert aber die Leiterin des Kinderschutzzentrums, Christina Radner, an die Regierung.

Mittagsjournal, 28.6.2012

Keine Automatik

Was genau im Entwurf zur gemeinsamen Obsorge von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) steht, ist derzeit noch unter Verschluss. Man wolle nicht über die Medien mit dem Regierungspartner verhandeln, heißt es aus ihrem Büro. Einige Eckpunkte sind aber dennoch durchgesickert.

Fall Nummer eins: die gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung. Derzeit gilt: Lässt sich ein Paar scheiden und streitet darüber, wer für die Kinder sorgt, dann kann das Familiengericht derzeit nur Mutter oder Vater das Sorgerecht zusprechen. Geht es nach Justizministerin Karl, soll das Familiengericht künftig auch die gemeinsame Obsorge verhängen können - und zwar immer, außer das Kindeswohl ist gefährdet. Frauenministerin Gabriela Heinisch-Hosek (SPÖ) kritisiert diese, wie sie sagt, "Automatik durch die Hintertür." Und auch die Vorsitzende des Kinderschutzzentrums Christina Radner warnt vor einer Automatik im Scheidungsfall: Statt dessen sollten die Eltern verpflichtet werden, Gespräche zu führen und Lösungen zu suchen. Erst wenn das nicht funktioniert, müsse die Richterin entscheiden. Eine gemeinsame Obsorge hält Radner in derartigen konflikthaften Fällen nicht für sinnvoll, "weil der Konflikt dann weitergeht."

Festlegung am Standesamt?

Fall Nummer zwei: Was passiert bei ledigen Kindern? Derzeit hat automatisch die Mutter das Sorgerecht. Der Vater darf es nur beantragen, wenn die Mutter einverstanden ist. Nach dem Entwurf soll künftig in jedem Fall auch der Vater das Sorgerecht beantragen dürfen, das entspricht auch einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs. Karl geht aber noch weiter: Sie will, dass Eltern die gemeinsame Obsorge unmittelbar nach der Geburt gleich am Standesamt eintragen lassen können. Heinisch-Hosek geht das zu schnell. Es bestehe die Gefahr, dass die Mutter überrumpelt werde. Christina Radner vom Kinderschutzzentrum sieht das nicht so und würde es befürworten, "wenn es gleich eine gemeinsame Obsorge gibt bei Ledigen, außer es spricht etwas gravierend dagegen".

Änderungen soll es auch beim Besuchsrecht geben. Hier wünscht sich die Expertin aus Kindersicht eine schnellere Einigung, damit Kinder nicht lange von einem Elternteil getrennt sind und rasch Sicherheit haben. Aber auch hier sei es wichtig, dass Eltern durch Mediation das Kindeswohl in den Vordergrund stellen, so Christina Radner.

In den nächsten Wochen soll es zwischen den Regierungsparteien weitere Gespräche zur Obsorge geben. Spätestens im Herbst soll es einen Beschluss geben, so das Ziel.