Obsorge: Familienrichter fürchten Ansturm
Auf Österreichs Familienrichter kommt viel Arbeit zu. Der Grund ist ein Höchstgerichtsurteil, wonach auch die Väter unehelicher Kinder ein Antragsrecht für gemeinsame oder alleinige Obsorge bei Gericht haben. Die Familienrichter erwarten nun eine Flut von Anträgen und fordern mehr Personal.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.7.2012
"Enorme Mehrarbeit"
Österreich braucht ein Gesetz, das den Vätern unehelicher Kinder mehr Rechte gibt als bisher, im Interesse des Menschenrechts auf Familienleben. Das hat der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber per höchstgerichtlichem Beschluss aufgetragen. Jetzt ist der Nationalrat, de facto die Regierung, am Zug: Sie hat laut Verfassungsgerichtshof bis Ende Jänner für eine verfassungskonforme Reparatur des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches Zeit. Im konkreten geht es um ein Antragsrecht für gemeinsame oder alleinige Obsorge bei Gericht, das die Väter unehelicher Kinder derzeit noch nicht haben.
Die Vorsitzende der Familienrichterinnen und -richter, Doris Täubel-Weinreich, erwartet dann eine Flut von Verfahren: "Wir fürchten uns schon davor." Denn es gebe 750.000 uneheliche Väter in Österreich, die keine Obsorge haben. Allein bei einer Rate von zehn Prozent, die einen Antrag stellen, werde das enorme Mehrarbeit bedeuten, warnt die Richterin im Ö1 Interview. Dafür werde man "viel mehr Personal" brauchen.
Wohnsitz Vereinbarungssache
Die künftige Vorgangsweise in der gerichtlichen Praxis erläutert die Richterin so: Bei einer gemeinsamen Obsorge müsse der Hauptwohnsitz festgelegt werden, und dort lebe dann das Kind. Der andere Elternteil müsse dann weiterhin Alimente zahlen. Täubel-Weinreich sieht auch sehr viel Symbolik damit verbunden, dass Vater und Mutter auch nach einer Trennung gemeinsam fürs Kind verantwortlich bleiben. Die Mit-Obsorge ändere aber nichts an der Rechtsstellung des Vaters, etwa in der Frage des Besuchsrechts, das gesondert geregelt werde. Sollte der Vater das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommen, dann könne er den Hauptwohnsitz bestimmen. Die Mutter erhalte ein Besuchsrecht und habe auch Alimente zu zahlen. Ein bestimmtes Alter des Kindes, ab dem der uneheliche Vater die Mit-Obsorge beantragen kann, sei nicht vorgesehen.
Frauen dennoch bevorzugt?
Den Vorwurf der Männerpartei, dass die Gerichte ohnehin weiter die Frauen bevorzugen würden, weist Täubel-Weinreich zurück. Tatsache sei aber, dass in bestehenden Beziehungen oft die Frau den Hauptteil der Erziehung trage. Aufgrund der Kontinuität bekomme dann häufig auch die Frau die Obsorge zugesprochen. "Eine Bevorzugung von Frauen, nur weil sie Frauen sind, sehe ich nicht."
Väter sollen aber auch verpflichtet werden können, ihre Kinder zu besuchen. "Eine Besuchspflicht wird kommen", ist die Richterin überzeugt. Der Vater soll mittels Ordnungsgeldstrafen zu Begegnungen etwa in einem "Kontakt-Cafe" gezwungen werden können.