Einigung bei gemeinsamer Obsorge
Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) haben gemeinsam das Familienrechtspaket geschnürt. Damit ist der Weg für die gemeinsame Obsorge von Eltern jetzt frei – auch im Fall der Scheidung und im Fall von Kindern, deren Eltern unverheiratet sind.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.10.2012
Vetorecht der Mutter fällt
Von einem Durchbruch, einem Meilenstein, der vor allem Kindern nach Trennungen zugutekommen soll, hat ÖVP-Ministerin Beatrix Karl im Justizministerium heute gesprochen. Zentraler Punkt ist das Antragsrecht auf gemeinsame Obsorge für geschiedene und für ledige Väter. Karl erläutert: "Das Vetorecht der Mutter fällt: Der Vater eines unehelichen Kindes kann künftig auch gegen den Willen der Mutter die Obsorge beantragen. Die Entscheidung darüber hat natürlich eine unabhängige Richterin, ein unabhängiger Richter zu fällen."
Vom irreführenden Begriff der automatischen "gemeinsamen Obsorge" ist heute daher keine Rede mehr. Aber: Auch wenn Vater oder Mutter nach Trennung oder Scheidung keine gemeinsame Obsorge wollen, kann das Gericht die gemeinsame Obsorge verfügen, wenn das aus Sicht des Gerichts im Sinne des Kindeswohls ist. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): "Wir entsprechen somit einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, aber auch des Verfassungsgerichtshofes."
Einschränkungen der gemeinsamen Obsorge
Eingeplant ist auch eine "Abkühlphase" nach Trennungen, das Gericht soll zunächst nur eine vorläufige Entscheidung treffen und erst nach einem halben Jahr, wenn sich die Gemüter beruhigt haben, eine endgültige Obsorgeentscheidung. Inzwischen muss der Kontakt zu beiden Elternteilen aufrecht bleiben.
Allerdings ist auch eine Einschränkung der gemeinsamen Obsorge geplant. Eltern oder Gericht müssen einen hauptsächlichen Wohnort des Kindes festlegen, der entweder bei der Mutter oder beim Vater sein muss. Das bedeutet beispielsweise: Die Mutter kann mit den Kindern in ein anderes Bundesland übersiedeln – ohne Zustimmung des Vaters und trotz gemeinsamer Obsorge. Für eine Übersiedlung ins Ausland wäre allerdings die Zustimmung des Vaters oder ein Gerichtsbeschluss nötig, sagen die Ministerinnen.
Zahlreiche begleitende Maßnahmen
Neu definiert wird das "Besuchsrecht" als Kontaktrecht und Kantaktpflicht, das den Kindern Kontakt zu beiden Elternteilen besser ermöglichen soll. Geplant sind auch Maßnahmen, wenn dieser Kontakt von einem Elternteil verunmöglicht wird. Ministerin Karl: "So haben wir für eine bessere Durchsetzung beim Kontaktrecht eine Reihe neuer Maßnahmen geplant: etwa den verpflichtenden Besuch einer Familienberatung, ein verpflichtendes Erstgespräch über Mediation oder über ein Schlichtungsverfahren."
Und die Familiengerichtshilfe soll ausgebaut werden, um mehr einvernehmliche Lösungen zu garantieren. Neu wird auch das Namensrecht. Nicht nur Eltern sondern auch Kinder können künftig einen Doppel-Nachnamen tragen, auch wenn die Eltern gar nicht verheiratet sind. Frauenministerin Heinisch-Hosek meint geradezu euphorisch: "Wir katapultieren mit diesem großen Schritt das Familienrecht ins 21. Jahrhundert." Der Gesetzesentwurf geht nun in Begutachtung und muss noch ins Parlament. Geplant ist das Inkrafttreten mit 1. Februar.