Sanktionen gegen Moskau: EU uneinig

Nach dem Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs steigt der Druck auf Russland, die Separatisten zum Einlenken zu bewegen. Doch innerhalb der EU gibt es keine einhellige Haltung zu schärferen Wirtschaftssanktionen, das zeigt sich derzeit beim EU-Außenministertreffen in Brüssel.

Die Außenninister von England und Spanien

(c) APA/EPA/JULIEN WARNAND

Mittagsjournal, 22.7.2014

Aus Brüssel,

Der Druck auf Russland seit dem Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs steigt. Die Führung in Moskau und die Rebellen im Osten der Ukraine schienen zunächst unbeeindruckt. Gestern hat allerdings Russland einer UNO-Resolution zugestimmt, wonach unabhängige Experten die Katastrophe untersuchen sollen. Und ebenfalls gestern haben die Rebellen die Flugschreiber an malaysische Experten übergeben. Könnte sein, dass Russland den Druck tatsächlich spürt, nach dem Tod von 298 Menschen nicht weitertun zu können, als wäre nichts passiert. Fragt sich, ob die EU-Außenminister diesen Druck heute verstärken. Russlands Wirtschaft strafen, auch auf die Gefahr, dass die eigenen Geschäftsinteressen leiden, das ist in der EU bisher umstritten. Österreich gehört bisher zu den Bremsern bei den Sanktionen. Vor allem Großbritannien und die Niederlande wollen da aber nicht länger zuschauen.

Der niederländische Außenminister Frans Timmermans ist direkt vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aus New York nach Brüssel gekommen. Wir wollen Gerechtigkeit für fast 200 getötete Niederländer, sagt er. Timmermanns berichtet, dass der Zug mit den Leichen der Opfer jetzt in Sicherheit ist. Gegen Mittag wird der Transport in Charkow erwartet. In der Auseinandersetzung um härtere Maßnahmen gegen Russland bleiben die Niederlande vorsichtig: Die Niederlande wollen, dass die EU Insgesamt stärker auftritt angesichts der Unruhen in der Ostukraine. Russland hat einfach nicht genug getan, um Distanz zu den Separatisten zu zeigen.

Ein sichtlich bedrückt wirkender deutscher Außenminister Frank-Walter Steinmeier spricht von weitreichenden Entscheidungen, die nach dem Abschuss des malaysischen Flugzeugs für die Europäer bevorstehen. Europa eine die Trauer um die Opfer, ebenso wie die Empörung über den Umgang der Separatisten mit den Leichnamen. Das sei zynisch und menschenverachtend.
Deutschland hat immer den Dialog mit Russland gesucht, betont Steinmeier, aber die Hoffnung auf eine Entspannung wurde enttäuscht. Russland habe seine Verabredungen nicht im erforderlichen Ausmaß erfüllt. Es habe auch über viele Tage keine Distanz zum Verhalten der Separatisten gegeben. Und Russland habe nicht vermocht, dass die Grenze zur Ukraine endlich dicht gemacht wird und Kämpfer und Waffen nicht weiter einsickern können. Daraus müssen die EU-Außenminister heute Schlüsse ziehen, so Steinmeier.

Litauens Außenminister Linkevicius gehört zu den Hardlinern. Er verlangt: es müssen endlich Namen genannt werden: Wir stehen vor einem Wendepunkt, wir reden jetzt nicht mehr nur über Waffentransporte über die Grenze, sondern über Akte des Terrorismus. Es ist Zeit die sogenannten Republiken von Lugansk und Donezk zu Terrororganisationen zu erklären. Und es muss ein Waffenembargo verhängt werden, es ist doch nicht logisch dem Aggressor Waffen zu verkaufen.

Die Forderung nach einem Waffenembargo wird auch von Österreich erhoben. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagt, rasche Aufklärung habe Priorität und dass die Opfer bestattet werden können. Er werde sich darüber hinaus heute für ein Waffenlieferverbot nach Russland einsetzen.
Vor allem Großbritannien hat auch im Vorfeld schon auf stärkere Wirtschaftssanktionen gegen Russland gedrängt, die sich nicht nur auf Waffenlieferungen beschränken sollen.

Der Druck stärkere Zwangsmaßnahmen gegen Russland zu verhängen war zweifelsohne noch nie so groß. Die Zahl der Staaten, die bei Wirtschaftssanktionen auf der Bremse stehen, zu denen auch Österreich gehört, schrumpft. Allerdings liegen die Interessen der EU-Staaten nach wie vor weit auseinander. Die Forderung nach einem Waffenembargo richtet sich unmittelbar an die Adresse Frankreichs, das gerade dabei ist zwei Kriegsschiffe an die russische Marine zu liefern. An dem Projekt hängen viele Arbeitsplätze und Frankreich will sich an seine Lieferverpflichtungen halten.

Frankreichs Außenminister Fabius gibt sich vor Sitzungsbeginn zurückhaltend. Er weist vor allem auf die dramatische Situation in Gaza hin: In Israel und Gaza ist die Lage sehr hart. Nichts rechtfertigt die Angriffe und die Massaker, die viele Opfer fordern und die die Spannungen zwischen Völkern nur verschärfen, die als Nachbarn miteinander leben müssen. Frankreich verlangt einen sofortigen Waffenstillstand, sagt Fabius.

Lapidar ergänzt Schwedens Außenminister Carl Bildt: Ich kann mich nicht erinnern, dass die strategische Situation Europas so angespannt war, so verletzlich, wie jetzt, urteilt Schwedens Außenminister.