Hauptplatz in Pecs

AP/BELA SZANDELSZKY

Tao

Der Islam in Ungarn

Ungarn hat ein ambivalentes Verhältnis zum Islam, nicht zuletzt wohl aus historischen Gründen. 150 Jahre lang war das osmanische Reich und mit ihm der Islam die bestimmende Macht in Ungarn, im 16. Jahrhundert kamen die Osmanen als Eroberer.

Ungarn war zu jener Zeit ein multiethnisches und multireligiöses Land: Seit König Stefan I. war es christianisiert, es lebten aber Angehörige der christlichen Ostkirche (Orthodoxie) ebenso im Land, wie Jüdinnen und Juden, die seit dem frühen Mittelalter, genauer seit König Bela IV., unter königlichem Schutz standen. Allerdings hatte diese Art Schutz mit Menschenrechten im heutigen Sinn wenig zu tun: Sie gehörten zum persönlichen Eigentum des ungarischen Königs.

Die Bessermenen

Erste muslimische Spuren im Karpatenbecken finden sich schon zur Zeit der sogenannten Landnahme im 9. Jahrhundert, als die Magyaren unter dem legendären Fürsten Arpad ins Karpatenbecken einfielen und sich dort niederließen. Vereinzelt kamen auch muslimische Stämme mit ihnen, Angehörige der Bessermenen (auch Ismailiten oder Sarazenen genannt). Ortsnamen in Ungarn weisen noch heute auf ihre Präsenz hin: Hajduböszörmeny etwa, "böszörmények" ist die ungarische Bezeichnung für "Bessermenen". Diese ersten Muslime wurden jedoch bald christianisiert.

Die Osmanen kommen

Mit den Osmanen kam eine islamische Macht gewaltsam nach Ungarn: viele mittelalterliche Ortskerne wurden zerstört, so etwa in Pecs/Fünfkirchen, erzählt der Kirchenhistoriker und Historiker an der Katholischen Privatuniversität Pecs, Szabolcs Varga.

"Pecs war eine florierende Stadt, Südslawen und eine deutschsprachige Minderheit lebten hier, die meisten flohen vor den einbrechenden Osmanen. Das Heer bestand in erster Linie aus Bosniern und Kroaten, die den Islam angenommen hatten", erzählt der Historiker, der sich intensiv mit der Geschichte des 16. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat.

Nach 150 Jahren war vieles zerstört, dennoch brachten die Osmanen auch Neues: Sie kultivierten prächtige Gärten, belebten die Bäderkultur –teilweise aus der Römerzeit – wieder und auch in der Küche blieben Einflüsse erhalten: Etwa im ungarischen Nationalgericht, dem "Gefüllten Kraut" (Krautrouladen, ungarisch: "töltött káposzta"), das wohl auf die osmanischen "Sarma" (gefüllte Weinblätter) zurückgeht.

Nur mehr wenige Muslime

Heute leben Schätzungen zufolge 30.000-50.000 Muslime und Musliminnen in Ungarn, bei einer Einwohnerzahl von knapp zehn Millionen, also nicht einmal 0.5 Prozent. Dazu zählen etwa auch ehemalige Studenten und Studentinnen aus dem arabischen Raum, die in den 1960er und 1970er Jahren vom Kádár-Regime ins Land geholt wurden, aus befreundeten Staaten des damaligen kommunistischen Ungarn. Manche der Studenten sind hiergeblieben, haben sich in Ungarn niedergelassen und Familien gegründet.

Organisiert sind die Muslime in zwei anerkannten Vertretungen: Magyar Muszlimok Egyhaza (MME) und Magyar Muszlimok Közössege. Die größte Moschee befindet sich in der Fehervariutca in Budapest, in einem umfunktionierten ehemaligen Bürogebäude.

Anna Lenard ist vor einigen Jahren zum Islam konvertiert und bietet Spezialtouren durch das muslimische Budapest an – in einer "Tourenwerkstatt" (Bupap setamühely), die sie gegründet hat: Auch Führungen zu Zielen des Christentums und Judentums bietet diese Organisation an, sowie zu wichtigen historischen, politischen und wirtschaftlichen Zielen in der ungarischen Hauptstadt, sowie zu den Grätzeln verschiedener Volksgruppen, die hier leben, wie auch die Roma.

Gesetzlich anerkannt, aber schief angesehen

Muslime fallen nicht besonders auf in Budapest, es sind nicht viele, allerdings, so klagt der Vorsitzende der MME, Zoltan Sulok, sei die Stimmung ein wenig gekippt. Trotz der gesetzlichen Anerkennung sind Teile der ungarischen Gesellschaft weniger gut auf Muslime zu sprechen, was wohl nicht zuletzt am ungarischen Regierungskurs liegen dürfte - ein bekanntermaßen national-konservativer Kurs, mit stark christlicher Schlagseite, könnte man sagen.

Ministerpräsident Viktor Orbán sieht sich gern als Beschützer des christlichen Abendlandes. Wenn überhaupt, so erweitert er den Begriff auf "christlich-jüdisch". Der Islam kommt in diesem Konzept nicht vor - die Muslime im Land spüren das, meint Zoltán Sulok.