Mezquita

ORF, MARIA HARMER

Tao

Al-Andalus und sein Erbe

Sie kamen als Eroberer über die Straße von Gibraltar, arabische Truppen unter der Führung von Musa Ibn Tariq. Das war im Jahr 711. Fast 800 Jahre lang, bis 1492, war der Islam die bestimmende Macht in diesem Teil Europas: In Al Andalus, wie die Araber die iberische Halbinsel nannten.

Die neuen Herrscher haben so einiges gebracht, das bis heute geblieben ist: die arabischen Zahlen, wichtige Kenntnisse in Astronomie und Medizin, Technik und Landwirtschaft - all dies zählt zum Erbe von "Al Andalus".

Diese Zeit gilt als "goldenes Zeitalter", als eine Zeit des toleranten und konstruktiven Miteinanders von Christen, Juden und Muslimen beiderlei Geschlechts - unter islamischer Herrschaft. Das friedliche Zusammenleben hat es gegeben, ebenso aber gewaltsame Auseinandersetzungen, Hinrichtungen, Versklavung und Brandschatzung.

Der Mythos von Al Andalus

Seit dem 1. nachchristlichen Jahrhundert haben Jüdinnen und Juden auf der Iberischen Halbinsel gelebt. Die Westgoten-Könige hatten mehrere Gesetze erlassen, die die Vertreibung der in ihrem Reich lebenden Juden zum Ziel hatten. Daher wurden die muslimischen Eroberer Anfang des 8. Jahrhunderts von einigen jüdischen Gemeinden als Befreier gesehen und unterstützt.

Ein maurisches Fenster

Juden und Christen hatten während der Zeit der maurischen Herrschaft den Status von Tributpflichtigen, von sogenannten "Dhimmi" und bezahlten eine Kopf- und Landsteuer im Gegenzug für das Recht auf Leben und Besitz.

Doch die Zeit der arabischen Herrschaft war keineswegs so harmonisch wie der Mythos des goldenen Zeitalters oft dargestellt wird.

"Nie hat uns ein Volk so beschwert, erniedrigt, gedemütigt und gehasst wie sie, wir wurden von ihnen in unerträglicher Weise entehrt", soll der im Jahr 1138 in Córdoba geborene jüdische Richter, Arzt und Philosoph Mosche ben Maimon, besser bekannt als Maimonides, gesagt haben.

Während dieser Zeit kam es auch zu grausamen Überfällen vor allem gegen Christen. Islamische Seefahrer und Piraten kreuzten an den europäischen Mittelmeerküsten, brannten Städte und Siedlungen nieder, töteten oder versklavten die Bewohnerinnen und Bewohner.

Al-Mansur, der um das Jahr 1000 herrschte und dafür bekannt war, dass er alle philosophischen Bücher, deren er habhaft werden konnte, verbrannte, soll rund fünfzig solcher Feldzüge angeführt haben; den berühmtesten gegen die Pilgerstadt Santiago de Compostela. Nachdem er sie dem Erdboden gleichgemacht hatte, mussten ein paar tausend christliche Überlebende den Marsch in die Sklaverei antreten und die Glocken ins tausend Kilometer entfernte Córdoba schleppen, wo sie zu Lampen für die Mezquita umgeschmolzen wurden.

Cordoba – Zentrum von Kunst und Wissenschaft

Die Kalifen Andalusiens konkurrierten mit Bagdad und Damaskus um Reichtum und Fortschritt. Besonders Cordoba kam durch den Handel mit Gold, Silber, Seide, Parfüm, Gewürzen und Leder zu Reichtum und wurde intellektuell zum Zentrum von Kunst und Wissenschaft, das herausragende arabische Wissenschaftler anzog. Wie zum Beispiel den Rechtsgelehrten, Musiker, Mathematiker und Dichter Abbas ibn Firnas.

Bereits 600 Jahre vor Leonardo da Vinci unternahm er mit Flügeln aus Federn und mit einem Holzrahmen einen Flugversuch, konstruierte ein bemerkenswertes Planetarium. Und er entwickelte ein Verfahren zur Herstellung farblosen Glases für Sehhilfen.

Es waren Meilensteine in der Entwicklung Europas, die durch dieses Wissen und Erbe ermöglicht wurden.

Toledo – Zentrum der Übersetzung

Heute gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Cordoba. Aber auch in Toledo sind von den zehn Synagogen des ehemaligen Judenviertels nur zwei erhalten geblieben: Samuel ha-Levi und Ibn Shushan; aber die ehemaligen Synagogen sind heute besser bekannt unter den Namen der katholischen Kirchen, in die sie umgewandelt wurden: die Kirche des Heiligen Benedikt und "Santa Maria la Blanca".

Syrische Christen waren es, die Werke der griechischen Antike im Bagdad des 9. Jahrhunderts ins Arabische übersetzten. In Toledo sind die griechischen Texte dann vor allem im 13. Jahrhundert aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt worden. Neben Werken aus der Medizin, Geometrie, Botanik und Philosophie waren es Arbeiten über Mathematik, Ackerbau, Gesteinskunde und Literatur.

Der Patio de los Leones in der Alhambra

Der Patio de los Leones in der Alhambra

AFP

Granada – späte Blüte der maurischen Herrschaft

Symbol für Granada ist die "Alhambra". Die prächtig gestalteten Zimmer der Paläste und die meisterhaft angelegten Gärten sind einzigartig. Entstanden ist die Alhambra im 14. Jahrhundert, quasi als späte Blüte der maurischen Herrschaft kurz vor ihrem Ende.

Die riesige Burganlage ist UNESCO Weltkulturerbe; innerhalb ihrer gewaltigen Festungsmauer liegen mehrere Paläste, die Zitadelle, Kirchen und Klöster sowie die riesigen Gartenanlagen mit ihren Springbrunnen und Pavillons.

Die Architektur der Altstadt mit Blick auf die Alhambra ist bis heute geprägt von den maurischen Herrschern. "La Alcaicería", der "Mercado Arabe" vermittelt den Eindruck, in Marokko zu sein: winzige Gässchen, die noch schmäler und enger werden, wenn die Händler ihre Waren vor die Geschäfte stellen und hängen.

Die Rückeroberung

Der Heilige Jakobus ist der Patron der sogenannten "Reconquista", der christlichen Wiedereroberung der Iberischen Halbinsel. Unterstützt durch französische Soldaten, verschiedene Ritterorden und später den Papst, konnten die Christen Stück für Stück der iberischen Halbinsel zurückerobern.

Die wichtigsten Stationen: 1085 verloren die Muslime Toledo, 1236 Córdoba, zwei Jahre später Valencia und im Jahre 1248 auch Sevilla. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war das kleine Königreich Granada die letzte Bastion der Mauren auf dem spanischen Festland.

Der Mythos von Al-Andalus hat widersprüchliche Facetten. Fakt ist, dass das Erbe der Mauren bis heute ein nicht wegzudenkender Teil der spanischen Kultur ist. Auch etwa 20 Prozent des spanischen Wortschatzes gehen auf das Arabische zurück.