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Öffentlich-Rechtliche

Rundfunkgebühren: Die Schweizer tanzen auf dem Vulkan

Die Debatte über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in ganz Europa heftig geführt. In der Schweiz hat eine Initiative eine brisante Volksabstimmung über die Finanzierung von Radio und Fernsehen aus öffentlichen Mitteln durchgesetzt.

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SRG-Gebäude in Bern

SRG/CHRISTINE BLASE

Die Abstimmung findet am 4. März 2018 statt, doch bereits jetzt lässt sie die Wogen hochgehen. Für die öffentlich-rechtliche SRG, die heute unter dem Namen SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) firmiert, würde das Ende der Rundfunkgebühren das Aus bedeuten. Das Ziel der No-Billag-Initiative ist nämlich, dass Radio und Fernsehen zukünftig nur noch privat finanziert werden. Eine Billag – das Schweizer Pendant zur GIS-Gebühr in Österreich – soll es dann nicht mehr geben. Schweizer Medienexperten glauben, dass die öffentlich-rechtlichen Sender so zerschlagen werden würden.

Business as usual beim SRF

Das SRF versucht sich davon in seiner Berichterstattung nicht viel anmerken zu lassen. In der wöchentlichen Talkshow "Arena" ging es Anfang November um die Volksabstimmung, Befürworter und Gegner der Kampagne kamen ausgewogen zu Wort. Gleichzeitig geht man in die Offensive und will zeigen, worum es bei der Abstimmung geht und warum man das öffentlich-rechtliche Unternehmen brauche, beobachtet ORF-Korrespondentin Raphaela Stefandl für #doublecheck.

ORF-Korrespondentin Raphaela Stefandl über "No Billag"

Mitarbeiter bangen um Zukunft

Immerhin geht es für die rund 2.000 Mitarbeiter in drei TV- und sechs Radiosendern um die berufliche Existenz, sagt Fredy Gsteiger, stellvertretender Chefredakteur von SRF Radio: "Es ist natürlich für uns und für alle Leute, die hier arbeiten, eine sehr spezielle und noch nie dagewesene Situation. Auf der einen Seite sind wir als Öffentlich-Rechtliche verpflichtet, fair und ausgewogen über Abstimmungsvorlagen zu berichten, allen Stimmen eine Plattform zu geben, die besten Argumente jeder Seite abzubilden. Das müssen und werden wir auch in diesem Fall tun. Aber es ist ganz klar: Die persönliche Betroffenheit ist in diesem Fall enorm."

Fredy Gsteiger (SRF) im Interview mit Stefan Kappacher

Initiative ohne Schlupfloch

Gsteiger nennt No-Billag eine radikale Initiative, die Verunsicherung bei den Mitarbeitern sei zu spüren. Der Arbeitsmarkt könnte wohl kaum Hunderte Journalisten aufnehmen, die plötzlich ihre Jobs verlieren.
Denn das wäre die Konsequenz, sollten die Schweizer für die Abschaffung der Billag stimmen, sind sich Experten laut ORF-Korrespondentin Raphaela Stefandl sicher: "Wenn die Schweizer sagen: Wir wollen keine Gebühren mehr zahlen, dann darf weder die Regierung noch eine damit beauftragte Institution, wie es derzeit die Billag ist, Gebühren eintreiben. Und der Staat darf dann auch keine Förderungen ausschütten."

Schlupfloch dafür gebe es keines, über einen Gegenvorschlag können die Schweizer ebenso wenig abstimmen. Der Vorschlag, die Gebühren zu halbieren, habe keine Mehrheit gefunden, erklärt Meret Baumann, Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung in Wien. "Deswegen kommt die Initiative nur so zu Abstimmung, ohne einen abgeschwächten Gegenvorschlag", sagt Baumann.

Ursachenforschung für Gegenwind

Eine Mitschuld der öffentlich-rechtlichen Sender an der laufenden Kampagne sieht Fredy Gsteiger nicht. "Wir sind viel politikferner, als das in manchen anderen Ländern die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind. Ich glaube nicht, dass wir durch andere journalistische Inhalte dieser Initiative den Wind aus den Segeln genommen hätten."

Laut Gsteiger sind viele Schweizer von der Größe des SRF irritiert. Tatsächlich müssen für die vier Sprachgruppen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch vom SRF jeweils mehrere Programme gestaltet werden. Dafür braucht es Geld und Personal.

Vielfältige Schweiz als Chance

Genau diese Vielschichtigkeit und Komplexität der schweizerischen Gesellschaft könnte am Ende die Rettung für das öffentlich-rechtliche SRF sein, sagt Journalistin Baumann. Immerhin leiste der SRF eine wichtige Integrationsfunktion. Dass private Angebote in der französischen und italienischen Schweiz sich finanziell rentieren würden, nennt Baumann "illusorisch". Dort sei die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk daher auch geringer.

Meret Baumann über die Rolle des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz

Eine zuletzt vom Zürcher "Tagesanzeiger" veröffentlichte Online-Umfrage unter 4.000 Deutschschweizer Lesern sieht die Abstimmungsgegner vorne, eine große Mehrheit ist für den Erhalt des SRF. Aber die ist nicht repräsentativ. Frühere Umfragen haben zum Teil ganz anders ausgesehen. Auch haben die Parteien noch nicht mobilisiert. Die Initiative wird von der rechtspopulistischen SVP unterstützt, die anderen Parteien halten dagegen.

Dreht die negative Grundstimmung?

Meret Baumann glaubt, dass sich die Grundstimmung gegen das öffentlich-rechtliche SRF noch drehen könne. "Der Entscheidungsprozess hat bei den Leuten erst angefangen." Initiativen würden sehr oft mit viel Zustimmung starten, da sie ein populäres Anliegen aufnehmen. Im Laufe der Abstimmungskampagne, wenn die Argumente auf den Tisch kommen, würden sie an Zustimmung verlieren. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass es bei dieser Initiative ähnlich ist", sagt Meret Baumann.

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