Szenenfoto von "Wer hat meinen Vater umgebracht"

VOLKSTHEATER/WWW.LUPISPUMA.COM

Edouard Louis

"Wer hat meinen Vater umgebracht" am Volkstheater

Der 27-jährige Franzose Edouard Louis gilt als Shootingstar in der Literaturszene. Sein erst heuer auf Deutsch erschienenes Buch, "Wer hat meinen Vater umgebracht", wird in der Regie von Christina Rast am Wiener Volkstheater gezeigt - ein kurzer politischer und doch sehr persönlicher Kommentar zu den sozialen und politischen Verhältnissen in Frankreich.

Mittagsjournal | 15 11 2019

Katharina Menhofer

In über 20 Sprachen übersetzt und zum internationalen Bestseller wurde der autobiografische Roman von Edouard Louis, "Das Ende von Eddy". Zunehmend werden seine Bücher auch für die Bühne adaptiert, erst am Mittwoch hatte im Wiener Schauspielhaus sein Roman "Im Herzen der Gewalt" Premiere.

Armut, Gewalt, Alkoholmissbrauch, Arbeitslosigkeit, Rassismus, und Homophobie - diese Faktoren bestimmten Edouard Louis Kindheit im nordfranzösischen Dorf Hallencourt. Ein Außenseiter ist er dortgeblieben, ob seines Schwulseins angefeindet, verprügelt und verlacht, von ignoranten Eltern im Stich gelassen und von keinem verstanden.

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"An meine Kindheit hab ich keine einzige glückliche Erinnerung" Edouard Louis

mit diesen bezeichnenden Worten beginnt auch seine Autobiografie "Das Ende von Eddy". Seinen ursprünglichen Namen Eddy Bellegueulle, hat Edouard Louis abgelegt, als er das Dorf verlassen hat. Dank eines glücklichen Zufalls, und einer höheren Schulbildung konnte sich Eddy aus seinem Umfeld befreien, studierte Soziologie und hat mittlerweile an einer amerikanischen Universität einen Lehrauftrag. Mit seiner Literatur kehrt er zu seinen Ursprüngen zurück, berichtet aus erster Hand aus einer sozialen Schicht, der normalerweise die Stimme fehlt.

Die Unsichtbarkeit der Vielen

"Er beschreibt einen großen Riss in der Gesellschaft", sagt die Schweizer Regisseurin Christina Rast. "Es gibt diese große Kluft zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Rechts und Links, angesichts derer sich auch die Politik zunehmend hilflos fühlt und die Menschen sich im Stich gelassen fühlen. Ein zentrales Thema bei Edouard Louis ist immer auch die Sichtbarkeit - und so wie der Sohn vom Vater nicht gesehen wird, wird der Vater von der Gesellschaft nicht gesehen."

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Sprachrohr der Gelbwesten

Louis, der mittlerweile zum Sprachrohr der Abgehängten und auch der Gelbwestenbewegung geworden ist, liefert auf die Frage "Wer hat meinen Vater umgebracht", konkrete Antworten: Jacques Chirac, Xavier Bertrand, Nicolaus Sarkozy, Martin Hirsch, Francois Hollande, Myriam El Khomri, Emmanuel Macron.

Politik sei in seiner Welt - keine Frage der Ästhetik oder der Weltanschauung, sondern eine Frage von Leben und Tod. Jede soziale Kürzung sei am eigenen Körper schmerzlich und konkret spürbar gewesen: "Für Jemanden wie meinen Vater sind Entscheidungen, die Sarkozy, Hollande oder Macron gefällt haben, etwas fast so Intimes wie der erste Kuss oder das erste Mal, als er Sex hatte, weil sie ihn ganz unmittelbar und existenziell betreffen. Solche Entscheidungen bestimmen, was sie sich zu essen kaufen können, ob ihnen die notwendigen Medikamente und ihre medizinischen Therapien bezahlt werden, welche Maßnahmen zur Arbeitsmarktreintegration ihnen aufgezwungen werden. Ob sie ein glückliches oder unglückliches Leben haben."

Ein stummer Vater, fünf Eddys

Der Vater, durch jahrelange Fabriksarbeit geschunden und nahezu bewegungsunfähig, verliert mit der Arbeit auch seinen Platz in der Gesellschaft. In Rasts Inszenierung sitzt er als übergroße schlaffe Stoffpuppe im blauen Arbeiteranzug an einem riesigen Küchentisch, sein Sohn Eddy versucht vergeblich seine Aufmerksamkeit zu erringen. Die Eddy-Figur, die auf fünf Darstellerinnen und Darsteller aufgeteilt ist (Peter Fasching, Sebastian Klein, Julia Kreusch, Sebastian Pass, Birgit Stöger), zeigt verschiedene Persönlichkeitsaspekte von Louis (der Intellektuelle, der Fremde, der Heimkehrer, der Proletarier, der politische Aktivist).

Christina Rast webt Kindheitserinnerungen aus Edouard Louis erstem Buch ins Stück mit ein, ebenso wie die nicht immer positive Reaktionen und Kritiken, die Edouard Louis, der sich immer wieder in Podiumsdiskussionen und Talkshows politisch äußert, hervorruft.

Die Mischung aus persönlicher Betroffenheit und Emotionalität und aktueller gesellschaftlicher Brisanz macht Edouard Louis auch für die Theater attraktiv. Im Vorjahr hat Thomas Ostermeier an der Berliner Schaubühne "Im Herzen der Gewalt" gezeigt, das Schauspielhaus Wien und das Landestheater Salzburg haben Louis im Spielplan. Die sehenswerte Volkstheater-Produktion "Wer hat meinen Vater umgebracht" hat heute Premiere.

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