Hörbilder
Neun Tage - zwei Zehennägel - nach Hause gehen. Mit Rucksack und Aufnahmegrät ist die Autorin von Wien nach Graz zu Fuß unterwegs. Feature von Anna Katharina Laggner
5. Jänner 2013, 09:05
Aufregend dein Plan, sagt meine Großmutter beim Muttertagsessen in einer Mühle am Fluss. Die Mühle wird es drei Monate später nicht mehr geben. Aufregend.
Mein Plan?
Man hat mir gesagt, ich soll einen Plan haben. Und ich soll diesen Plan auf einer A4-Seite ausformulieren. Ein Exposé schreiben. Aber was schreibt man, wenn die einzige Idee darin besteht, nach hause zu gehen?
Ich werde einfach gehen, hab ich mir gedacht. Gehen gegen den Frust.
Ich werde einfach gehen, weil alle immer fahren, weil ich immer fahre. Eine Strecke, die ich nie als Reise wahrnehme. Eine Strecke, die ich wahrscheinlich am öftesten in meinem Leben zurückgelegt habe.
Den Wechsel kenne ich nur von der Autobahn, Geschwindigkeitsbegrenzung, Raststätte Zöbern, das Warnschild "Achtung tiefstehende Sonne". Dort, auf halbem Weg, werde ich um ein Haar im dichten Nebel verloren gehen. Mein Aufnahmegerät wird sich schlimm verkühlen.
Es gibt keine Zimmerreservierungen, dafür Jause und einen kleinen Rucksack. Es gibt einen Pfefferspray und eine Abneigung gegen Hunde. Es gibt einen Weg, der ungefähr querfeldein Richtung Süden führt. Und es gibt den ersten Schritt, der der schwerste ist.
Und mein Plan?
Von jeglichem Plan werde ich nach der ersten Begegnung und noch innerhalb der Wiener Stadtgrenzen geheilt sein. Ich werde keine einzige Person mehr fragen, wohin sie unterwegs ist, wo sie zu hause ist und ob ich sie begleiten darf.
Die Menschen reden mich an. Erzählen mir vom Yeti, der auf der Hohen Wand wohnt. Von Mallorca, wo es nur Pinienwälder gibt. Von der Suche nach Gurus und den rechten Lebenswegen.
Zwei Mal sind Straßen gesperrt. Ein Mal wegen der Beerdigung des Bruders eines Wirten, ein Mal wegen der Hochzeit eines Zimmermanns.
Kurz vor dem Ende der Reise werde ich mich verirren.
In Graz wohnen meine Eltern, zwei meiner Schwestern, meine Großmutter.
Von dort bin ich aufgebrochen in die Welt.