Erfolg mit genialem Konzept
Meister des "Bajazzo"
Das Publikum und die Kritik feierten Ruggiero Leoncavallo zu Lebzeiten als "Meister des Bajazzo". Diesen Erfolg aber auch nur einigermaßen zu wiederholen, wollte partout nicht gelingen. Am 23. April begeht man seinen 150. Geburtstag.
8. April 2017, 21:58
Georg Oeggl als Tonio in "I Pagliacci"
Auf den Opernbühnen der Welt gelten sie längst als siamesische Zwillinge: Mascagnis "Cavalleria rusticana" und Leoncavallos "I Pagliacci", zwei Standardwerke der internationalen Opernszene seit ihren triumphalen Uraufführungen Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts.
Auch ihre beiden Schöpfer haben ein gemeinsames Schicksal: Trotz durchaus umfangreicher Werkkataloge wurde jeweils nur eine ihrer Opern zu einem wirklichen Erfolg, der allerdings kann sich in beiden Fällen sehen lassen. "Cavalleria" und "Bajazzo" zählen nun schon weit über ein Jahrhundert zu den populärsten Werken der Opernliteratur.
Aufblühender Verismo
"Heut schöpfet der Dichter kühn aus dem wirklichen Leben schaurige Wahrheit ... nicht die Märchen sind der Zweck der Kunst, was er wirklich sieht, schildre der Dichter, dann erringt er der Menschen Gunst!" Diese Worte im Prolog von Leoncavallos "Bajazzo" sind gleichzeitig auch Programm des aufblühenden Verismo im ausklingenden 19. Jahrhundert, wobei man in diesem neuen Stil vielfach auch eine Antithese zu Wagner gesehen hat.
Der Verismo, der Wahrheitsstil, hat also das einfache Leben auf die Bühne gebracht, abseits von Göttern und Helden, und Leoncavallo hat diese Strömung genutzt, ja er hat sogar behauptet, mit dem "Bajazzo" eine wahre Geschichte vertont zu haben, die er selbst als Kind im kalabrischen Montalto erlebt hätte, wo sein Vater zeitweilig als Richter amtiert hat. Diese Behauptungen Leoncavallos gelten heute längst als Märchen, Tatsache dürfte sein, dass er damals mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert gewesen ist und sich damit herausreden wollte, schließlich hat man dann festgestellt, dass die Grundidee weit älter ist und eigentlich aus dem 17. Jahrhundert stammt.
Ein Geniestreich
Wie auch immer, das dramaturgische Konzept, das Leoncavallo in seine Oper eingebracht hat, die Nachahmung des Commedia-dell'arte-Stils im zweiten Akt mit dem fast unmerklichen Übergang von Spiel und Ernst am Schluss, das alles ist ohne Zweifel ein Geniestreich erster Ordnung, allen intellektuellen Einwendungen zum Trotz, die es gegen den "Bajazzo" natürlich auch immer wieder gegeben hat.
150. Geburtstag
Ruggiero Leoncavallo wurde am 23. April 1857 in Neapel geboren, ging 1876 an die Universität von Bologna und erhielt dort bereits zwei Jahre später ein Literatur-Diplom. In Bologna, der italienischen Bastion des "wagnerismo", hat er auch den von ihm hochverehrten Wagner persönlich kennen gelernt, als dieser im Dezember 1876 dort eine Rienzi-Aufführung besucht hat. Damals hat er sogar beschlossen, in Anlehnung an Wagners "Ring" eine Renaissance-Trilogie unter dem Titel "Crepusculum" zu schreiben, doch bereits der erste Teil "I Medici" wurde zum eklatanten Misserfolg, so dass er alle Pläne einer Fortsetzung aufgeben musste.
Man kann es drehen und wenden wie man will, der Triumph des "Bajazzo" öffnete Leoncavallo zwar alle Türen, diesen Erfolg aber auch nur einigermaßen zu wiederholen, wollte partout nicht gelingen. Fast schien es schon so, als würde er mit seiner "Boheme"-Version Puccini aus dem Feld schlagen, doch das genaue Gegenteil ist schließlich eingetreten.
Pech mit Auftragswerk
Auch mit einem Auftragswerk für die Berliner Hofoper hatte Leoncavallo Pech. Sein "Roland von Berlin" - uraufgeführt 1904 - fiel trotz allerhöchster Protektion durch. Dabei war Kaiser Wilhelm II. einer der wenigen gewesen, dem "Die Medici" gefallen hatten, ja der darin "den ganzen Fortschritt Wagners mit dem absoluten italienischen Charakter der Musik" verbunden sah.
Publikum und Kritik sahen das jedenfalls anders und feierten immer wieder nur den "Meister des Bajazzo", der verbittert über diese Haltung am 9. August 1919 in Montecatino gestorben ist.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 17. April 2007, 15:06 Uhr