Am Rand des gerade noch Denkbaren
Alf Poier killt Eulenspiegel
Wer ist Alf Poier wirklich? Tötet sich der Clown Poier, um nicht selbst (von den Medien) getötet zu werden? Egal, der Weg ist das Ziel. Doch wo ist das Ziel, und wer steht im Weg? Fragen, die Alf Poier in seinem aktuellen Solo zu beantworten sucht.
8. April 2017, 21:58
Man sagt, er sei der Clown unter den Philosophen und der Philosoph unter den Clowns: Alf Poier. Mit diversen ungewöhnlichen Überlegungen zu seinen Bühnenshows beginnt er dort, wo andere aufhören. Alf Poier vermittelt Einsichten in eine irrwitzige Gedankenwelt und führt sein Publikum an Grenzen, er polarisiert.
"Wenn man als Clown und Eulenspiegel nicht mehr sagen darf, was man will, dann will ich gar keiner mehr sein." Mit dieser Ansage beginnt er sein neues Programm, das die scheinbare Dekonstruktion des Clowns zum Ziel haben soll: "Kill Eulenspiegel".
"Ich möchte ein wilder Clown sein"
So viel zum Selbstverständnis von Alf Poier. "Für mich ist ein Clown jemand, der Narrenfreiheit haben muss, soll und darf, um alles sagen zu können, was sich aufgestaut hat, was sich sonst keiner erlauben würde", meint Poier. "Ein Eulenspiegel, ein Hofnarr sollte man sein - und nicht dabei behindert werden. Wirklich frei ist man ja nie - auch nicht auf der Bühne. Erschießen kann man dort auch niemanden, um ein blödes Beispiel zu bringen. Auch dort gibt es Grenzen, sie sind für den Clown aber weiter gesteckt. Ich habe mich auch nie als Kabarettist gefühlt, vielmehr als jemand, der herumhüpft und seine Botschaften zwischendurch verbreitet, als Clown mit ernstem Hintergrund."
Tod durch geistigen Selbstmord
Schon in seinen vorangegangenen Programmen hat sich der Performer Alf Poier mit den grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz beschäftigt. Der modernen Schnelllebigkeit kann der Steirer nicht viel abgewinnen. Lieber geht er in den Wald und meditiert. Damit schafft er die Grundvoraussetzung für seine Programme.
"Ich habe eine große Sehnsucht nach innerer Stille im Kopf", bekennt Poier. "Vermutlich ist das gar nichts Transzendentales, sondern nur ein chemischer Prozess - aber immerhin ein sehr angenehmer. Leben ist für mich immer schon eine starke Form von leiden, obwohl es mir nicht schlecht geht. Die Geworfenheit in das Sein, ohne dass man weiß, woher man kommt und wohin es weitergeht, das beschäftigt mich."
Bei Alf Poier sind emotionaler Ist-Zustand des Künstlers und der Inhalt seiner Programme mehr oder weniger deckungsgleich. "Gedanken braucht man eigentlich nur zum Einkaufen", sagt er und besinnt sich in seinem Spiel rund um die Dekonstruktion des Clowns stärker als sonst auf die Kraft des Wortes. Poier nimmt sich die Freiheit, einmal nicht nur lustig zu sein, obwohl auch ernsthaft formulierte Gedanken des Künstlers das Publikum immer wieder erheitern. Vermutlich sind es die ungewöhnlichen Schlüsse, die er aus seinen Überlegungen zu ziehen pflegt.
Frühschoppen statt shoppen
"Ich war nie ein Genießer. Ich könnte mir jetzt einen Lebensstandard leisten, den sich ein Genießer wünscht und ich sitze immer noch in meiner Wohnung und esse meinen Reis mit Salz", so Poier. "Das Leben zelebrieren, das kann ich nicht, das liegt mir nicht. Da tu ich mir schwer und das ärgert mich auch oft. Ich hätte zum Beispiel gerne einen Fernseher, der nicht rauscht, aber da ist die Antenne abgebrochen und ich kann überhaupt nur ORF 1 empfangen. Ich schaffe es nicht, dass ich in ein Geschäft gehe und mir einen schönen Fernseher kaufe. Ich kann mich nicht mit solchen Dingen beschäftigen. Genießen würde ich ein Haus, wo ich um Mitternacht Schlagzeug spielen kann."
Zu Alf Poiers Vorbildern zählt neben Arthur Schopenhauer der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau. Leben wie man will, sich nichts einreden lassen, das ist für den Künstler, der kein Kabarettist sein will, ein erstrebenswerter Zustand.
Seinen Versuch, den Clown in sich zu töten, realisiert Alf Poier in seinem aktuellen Solo "Kill Eulenspiegel" letztendlich doch nicht ganz, aber er erinnert dran, dass man den Clown nicht domestizieren kann. Und er gibt seinem Publikum eine interessante Frage mit auf den Heimweg: Wenn der Österreicher zu 50 Prozent aus Schweinefleisch, zu 25 Prozent aus Kartoffelsalat und zu 25 Prozent aus Bier besteht - und davon geht der Künstler aus -, warum kommt am Ende kein Österreicher heraus, wenn man Schweinefleisch, Kartoffelsalat und Bier in einem Reagenzglas zusammenmischt?
Eine Veranstaltung live aus dem Orpheum in Wien mit Unterstützung von Wien Energie
Hör-Tipp
Kabarett direkt, Freitag, 30. März 2007, 20:00 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Alf Poier, "Kill Eulenspiegel", 29. bis 31. März und 31. Mai 2007, Orpheum Wien,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (EUR 1,50).
Links
Alf Poier
Orpheum
kabarett.at
kabarett.cc