Dritter beim Haslinger-Literaturwettbewerb 2007
Florian Smeritschnig: "Schachbrett Erde"
Den dritten Preis des Josef-Haslinger-Literaturwettbewerbs 2007 gewann Florian Smeritschnig vom Oberstufenrealgymnasium 1160 Wien, Maroltingergasse.
8. April 2017, 21:58
Den dritten Preis des Josef-Haslinger-Literaturwettbewerbs 2007 gewann Florian Smeritschnig vom Oberstufenrealgymnasium 1160 Wien, Maroltingergasse:
Schachbrett Erde
Öffne ich meine Augen, ist es bereits hell draußen. Ich finde mich in derselben Stellung wieder, in der ich vor zehn Stunden eingeschlafen bin. Das Genick schmerzt und mein rechter Arm gibt kein Lebenszeichen von sich - ich muss darauf gelegen sein, denke ich und vergesse im selben Moment noch diesen Gedanken.
Ich stehe auf und bewege mich zum Fenster, der einzigen Lichtquelle im Raum. Es ist erstaunlich ruhig - ich vernehme kein Geräusch. Seltsam, war es doch gestern noch so laut, ja fast unerträglich schallte der Lärm durch die kleine Öffnung in der Wand. Ich lasse meinen Blick über das weite Land streifen. Das Bild, das sich mir bietet, ist leer und kahl - nicht ein einziger Baum schmückt es, kein Fluss durchzieht die breite Ebene, Blumen längst vergessen. Weder Mensch noch Tier bevölkert die einst so blühende Landschaft. Düster lauert der Himmel über dem Land und die Sonne, die nur schwach durch die dichten Wolken drängt, spendet mit letzter Kraft ein wenig Wärme. Zeit spielte, spielt, wird keine Rolle mehr spielen.
Gestern noch haben zwei hohe Türme das kontrastreiche Land flankiert - so lebendig alles einst war, so still ruht es jetzt. Die Erinnerungen beginnen zu verblassen und sind bald nicht mehr vorhanden. Das eifrige Treiben ist vergangen; ohne Wiederkehr. Könige und Königinnen richten nicht, sie schicken keine Soldaten mehr. Die Schwachen sind erlöst vom Oberbefehl der Mächtigen, auch ist kein Platz für das konformistische Denken der Mit - Läufer und das sprunghafte Gehabe der Rösser.
Mittlerweile dämmern in mir die wildesten Fantasien um der Türme Zerwürfnis. Mit ihnen fiel die letzte Festung, der letzte Schutz der Zivilisation beerdigt in dem flachen Land, das vor mir liegt.
Früher war es so kontrastreich und voller Bewegung, nun ist es dunkel, abgespielt, und zum Stillstand gekommen. Die letzten Züge sind getan, die Figuren ver - rückt, der Erde ent - rückt und sie werden nie mehr wiederkehren. Das Rad der Zeit hat aufgehört zu spielen.
Das Schachbrett ist leer.