Höchstleistungen aus dem Altertum
Das Buch der antiken Rekorde
Das schriftliche Festhalten von Großartigem war schon in der Antike üblich. Das schwedische Autorenduo Klynne hat einige dieser Rekorde zusammengetragen und mit einem sympathischen Augenzwinkern zu einem unterhaltsamen Buch vereint.
8. April 2017, 21:58
Denkt man an antike Rekorde, kommen einem natürlich zunächst einmal die sieben Weltwunder in den Sinn. Das entsprechende Kapitel gibt über entweder bereits vergessene oder aber auch niemals gelernte Erstaunlichkeiten Auskunft. So erfährt man etwa, dass die große Pyramide von Gizeh zu Herodots Zeiten noch fast 100 Meter höher war als heute, dass die Bezeichnung Mausoleum vom karischen Fürsten Maussollos stammt, dessen monumentales Grabmal von Halikarnassos ebenfalls zu den sieben Weltwundern zählt, oder dass die Kosten für den "Koloss von Rhodos" immerhin 300 Talente betrugen, was über sieben Tonnen Silber entsprach.
Leider stürzte der Koloss bei einem Erdbeben ein, aber Plinius betont, wie sehr er und seine Zeitgenossen noch von den Trümmern beeindruckt waren. Ein Daumen der gigantischen Statue sei so groß gewesen, dass ihn ein Mensch nicht habe umfassen können.
Die Spleens der Machthaber
Wenn man über Extreme des Altertums nachdenkt, drängen sich schnell auch Bilder allerlei - sagen wir einmal - exzentrischer Machthaber auf. "Das Buch der antiken Rekorde" hat hier jede Menge erstaunlicher Anekdoten zu bieten. Der Ausdruck Speichellecker stammt offenbar von den heuchlerischen Untergebenen des Dionysos I. von Syrakus. Wenn der Tyrann ausspuckte, trachteten sie danach, den Speichel aufzufangen und versicherten dem Herrscher, der Geschmack sei süßer als der von Honig.
Kaiser Heliogabal wiederum hatte Spaß daran, sobald er seine Freunde unter den Tisch getrunken hatte, seine zahmsten Bestien herbeizuschaffen. Als die Trunkenbolde ihren Rausch ausgeschlafen hatten, sahen sie sich von Löwen, Leoparden und Bären umgeben. Nicht wenige sind vor Schreck auf der Stelle gestorben.
Lust-Gewinn
Was herausragende Leistungen zum Thema Lust und Laster betrifft, so konnte es mit dem einschlägig bekannten Caligula wohl nur die zügellose Messalina aufnehmen. Höhepunkt ihres liederlichen Lebenswandels war wohl ein Marathon-Wettbewerb der besonderen Art. Sie forderte die berühmteste Prostituierte Roms zu einem Duell, wer den längeren Sexualakt zuwege bringen könne. Mit 25 "Runden" in 24 Stunden entschied sie den Kampf für sich.
Unter dem Eintrag "Die sittsamste Sodomie" findet man eine Geschichte, die man auch "Der kurioseste Eifersuchtsmord" betiteln könnte: Krathis, ein Hirte aus Sybaris, verliebte sich in seine süßeste Ziege. Um sie zu verführen, brachte er ihr besonders gute Zweiglein, Ackerwinde und Harz als Geschenke mit und breitete weiches Laub aus, damit es auch wirklich nichts zu meckern gab. Dem mächtigsten Bock der Herde gefiel das weniger gut.
Der wurde so wütend, dass er Krathis, als dieser schlief, mit den Hörnern den Schädel zerschmetterte. Als die Sybariten, die für ihre besonderen Vorlieben bekannt waren, davon hörten, wurden sie von edlen Gefühlen erfüllt. Sie errichteten ein Grabmahl zu Ehren des Hirten und benannten den Fluss der Stadt nach ihm.
Wahr oder nicht wahr?
Allzu ernst sollte man aber die Kuriosa-Sammlungen nicht nehmen, vor allem was ihren Wahrheitsgehalt betrifft. Es gab damals natürlich keine autorisierten Prüfer, die durch die Lande zogen, um Rekorde zu beurteilen. Aber wie heißt es so schön: Wenn's nicht stimmt, so ist's wenigstens gut erfunden.
Mit verlässlichen Angaben hatten schließlich selbst die großen antiken Autoren zu kämpfen. Vieles aus der Feder Herodots, des Vaters der Geschichtsschreibung, soll reiner Nonsens sein. Seneca der Jüngere ereiferte sich über Historiker, die ständig verblüffende Ereignisse in ihre Darstellungen einflochten, nur damit die Leser das Buch nicht gelangweilt zur Seite legten. Und Plinius der Ältere weigerte sich, Indien als real existierend anzuerkennen, weil er alle Angaben darüber als widersprüchlich und unglaubwürdig empfand.
Wunderwerke und Sternstunden
Die höchste Gage eines Gladiators, der jämmerlichste Brudermord, der langwierigste Tempelbau oder der tölpelhafteste Ehebrecher: Mit einem sympathisch unaufgeregten Augenzwinkern hat das schwedische Autorenduo Klynne die erstaunlichsten Höchstleistungen der Antike zusammengetragen und zu einem höchst unterhaltsamen Rekord-Buch vereint. Wunderwerke der Baukunst sind darin ebenso zu finden wie Sternstunden des Luxus und der Prasserei oder Außergewöhnliches aus den Bereichen Krieg, Natur, Literatur, Theater und Sport. So zum Beispiel auch ein Eintrag, der bei der aktuellen Hooligan-Debatte in europäischen Fußball-Stadien hilfreich sein könnte.
59 n. Chr. waren bei Gladiatorenkämpfen in Pompeji nach schlimmen Ausschreitungen zahlreiche tote Zuschauer zu beklagen.
Pompeji durfte in den folgen zehn Jahren keine Gladiatorenkämpfe mehr ausrichten. Die Fangruppen wurden aufgelöst und Sponsoren des Landes verwiesen. Auf einem Wandgemälde in Pompeji sind die Krawalle verewigt.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Cecilia und Allan Klynne, "Das Buch der antiken Rekorde. 777 Höchstleistungen zum Staunen", aus dem Schwedischen übersetzt von Holger Wolandt, C. H. Beck Verlag, ISBN 978-3406556203