Peter Rantasa über Digital Rights Management

Lobbyisten und Konsumrevolte

Überall Streit und Hader: Industrie gegen Konsumenten, Künstler gegen Plattenfirmen, etc. Und in internationalen Organisationen kämpft Lobbyist gegen Lobbyist um das Gehör der Politik. Aber eigentlich möchte man sich fragen: Was geht mich das an?

Der Sprecher sagt vom Podium: "Unter all den Zweigen der Kreativwirtschaft, und darunter verstehen wir unmissverständlich alle Urheberrechtsindustrien, unter all diesen Zweigen ist der Musikbereich der ideologisch zerstrittenste. Und weil das so ist, bekommt er die geringsten Förderungen der öffentlichen Hand. Drei Mal 60 Millionen Euro stehen dem Film in den kommenden Jahren zur Verfügung und gerade Mal eine Million für die Musikwirtschaft". Diese Zahlen machen klar: Ort der Handlung ist nicht Österreich, sondern das mächtige Deutschland, und der hier aus dem Gedächtnis angeführte Satz stammt vom neuen Sprecher des deutschen Phonoverbandes, Dieter Gorny.

"Ja", ist man versucht zu denken, "stimmt ja, vertragt euch doch endlich!" Überall Streit und Hader, sogar in den Hochglanzmedien wenden sich Superstars gegen ihre Plattenfirmen und die Gerichte sind beschäftigt mit Klagen. Aber eigentlich möchte man sich fragen: Was geht mich das an?

Mein iPod und ich

Da habe ich mir also vor Jahren einen iPod gekauft. Begeistert wie ich war, habe ich sofort viele meiner CDs auf dieses praktische Hosentaschengerät überspielt, natürlich im schickeren und damals auch besser klingenden Apple-Format AAC (Advanced Audio Coding). Dann bin ich übersiedelt, habe bei der Gelegenheit viele der CDs weitergeschenkt und mich gefreut, weniger Kisten schleppen zu müssen. Aber alles hat seinen Preis: Mein kleines iBook wurde gestohlen, mein iPod war voll.

Keine Chance, hier legal etwas zu verändern. Das Apple-eigene DRM-System "Fair Play" weiß genau, dass ich von meinem iPod nur auf meine verflossene Original-iTunes-Version zurückspielen und keineswegs meine tolle Sammlung Lieblingsplatten auf x-beliebige andere Rechner verteilen darf. Dieses "Feature“ hatte ich zwar nicht bestellt, gesagt hat mir das damals auch niemand, gekauft habe ich es trotzdem - inklusive Preisaufschlag "für Leermedien“ zur Vergütung an die Urheber meiner Musiksammlung. Immer wieder höre ich: "Da gibt es doch diese Umgehungssoftware, brauchst Du dir nur aus dem Netz holen..." Aber ich sehe nicht ein, mir meine eigene Musik auf illegalem Weg kompliziert zurückholen zu müssen.

Lobbyistenmystizismus

In wie vielen politischen Debatten hat die Frage "technische Schutzmaßnahmen und ihre Umgehung" eine dominante Rolle gespielt? Wer erinnert sich noch an die "Digital Music Initiative" der Musikindustrie der späten neunziger Jahre, den auch in Europa rezipierten Kampf um den DMCA-Digital Millenium Copyright Act der USA, den Streit um die Direktive zur Anpassung des Urheberrechts der Europäischen Kommission und die Regelungen zu diesen Fragen?

Geschickt haben es die Vertreter der Unterhaltungsindustrie verstanden, den Entscheidungsträger der Parlamente auseinanderzusetzen, dass ohne TPM - "Technical Protection Measures" oder Kopierschutz in der digitalen Welt niemand mehr Geld verdienen werde können, auf keinen Fall aber die Künstler, um die es der Industrie natürlich vor allem gehe. Und um technische Monopole ringende Herstellerfirmen von Software und Geräten haben nicht immer widersprochen.

Bill Gates sprang aus der Deckung
Vergangenen Dezember sprang nun Bill Gates anlässlich der Diskussion um Microsofts iPod-Konkurrenten "Zune" aus der Deckung und verkündete: DRM sei problematisch und funktioniere nicht, Konsumenten sollten lieber CDs kaufen und rippen.

Wenig später sieht auch Steve Jobs sein de-Facto-Monopol und das coole Image seiner Marke Apple nach Konsumentenklagen in Frankreich und anderswo bedroht: Apple würde DRM nur wegen der Forderungen der Major-Labels einsetzen, ein iPod spiele auch DRM-freie Musik. Die Geschichte dreht sich weiter: Während die Lobbyverbände der Plattenindustrie "Heuchelei! Heuchelei!" rufen, erörtert einer der größten Musikanbieter, die englische EMI, den Medien ernsthaft, mit Online-Musikanbietern zu verhandeln, um ihr Repertoire DRM-frei zu lizensieren. Ein Vorhaben, das wenig später wieder abgeblasen werden sollte. Die von EMI verlangten Garantiezahlungen waren den Online-Musikanbietern zu hoch.

Konsumrevolte oder die Moral von der Geschichte

Mein alter iPod hat mich ein paar hundert Euro gekostet und die CDs darauf noch viel mehr. Ich werde mir jedenfalls bis auf weiteres keinen neuen kaufen. Außer vielleicht, ich bekomme einen sauberen Beipackzettel, der beschreibt, welche Nebenwirkungen noch in der Software stecken werden, denn bei jedem Update werden meine Rechte nach Belieben des Herstellers bzw. seiner Verhandlungsergebnisse verändert.

Das ist zwar keine Konsumrevolte, aber immerhin ein erster Schritt zu einem "freien Markt" im von Monopolen bislang so überprägten Musikgeschäft. Für politische Entscheidungsträger könnte der Lerneffekt aus diesen Volten sein, das alte Prinzip "cui bono" wieder ernst zu nehmen und allzu alarmistische Lobbyistenbehauptungen auf ihre Faktizität und Werthaltigkeit für die Allgemeinheit zu überprüfen.

Zaheln basieren noch auf Schätzungen
Neutrale Studien, die Auskunft über Geldflüsse und -verteilung im Musikgeschäft geben, wären dringend nötig. Viele Zahlen basieren heute weitgehend auf Industrieschätzungen. Und wenn wir die Fakten besser sehen, wird sich die Frage von selbst beantworten, ob wir es hier tatsächlich bloß mit Ideologien zu tun haben, wie uns der Vertreter der derzeit wirtschaftlich dominanten Großunternehmen nahe gelegt hat, oder mit konkreten Verteilungskämpfen um Modernisierungsgewinne im Zuge eines technischen Strukturwandels - mit einer echten Chance auf Emanzipation bisher benachteiligter Gruppen. Die laufenden Diskussionen um Privatkopie, Leermedienabgabe oder "Cultural Flat Rate" werden uns zeigen, was wir gelernt haben.

Peter Rantasa ist Künstler und Experte für Digitale Musik, Mitglied des Vorstands des International Music Council der UNESCO und Direktor des mica - music information center austria.

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