Bariton sang Jazz-Standards
Quasthoffs "Jazz Dream"
Thomas Quasthoff stellte im Wiener Musikverein sein "Jazz Dream"-Projekt vor und sang Jazz-Standards. Das umjubelte Konzert, das von der Presse sehr positiv aufgenommen wurde, begann mit einer Liebeserklärung an das Wiener Publikum.
8. April 2017, 21:58
Der Sänger begrüßt sein Publikum per Mikro
Thomas Quasthoff will ja wirklich nicht "schleimen", sagt er. Aber: "Wien ist geil". Im Goldenen Saal des Musikvereins konnte man derart Unbürgerliches aus der Kehle jenes Mannes hören, der sonst Bach, Schubert und Wagner vergoldet.
Die Freude über den Zuspruch zu Quasthoffs neuem Projekt "Jazz Dream" (mit Till Brönner, Trompete, Alan Broadbent, Klavier, Chuck Loeb, Gitarre, Dieter Ilg, Bass und Peter Erskine, Schlagzeug) war einfach zu groß. Denn Jazz ist auch geil, lautete die Botschaft von Quasthoffs Projekt und das Publikum nahm diese jubelnd an. Auch die Presse rezensierte das Konzert euphorisch.
Wiener Zeitung
Die Art, wie sich Quasthoff dem Jazz nähert, ist lustvoll, darf also ebenfalls unter dem Terminus "geil" verbucht werden. Und das nicht bloß, weil Quasthoff hier aus einer Art Jazz-Leo die Klassikwelt provoziert (mit wienerischer Stimme: "Guten Abend, Frau Kammersänger!") Und auch nicht nur im Vergleich mit den Crossover-Versuchen der letzten Jahre (Ergebnis: Popstimme nivelliert Klassik oder Klassikstimme zertrümmert Pop). Ob Swing-Feger wie "The Lady Is A Tramp" oder "Watch What Happens": Quasthoff hat den Opernbariton gegen eine leichtere Stimme getauscht. Klassisch-penibel zwar, das mag man über manchen Ton sagen, aber klassisch-gestaltungsstark: Als ob Lieder aus Schuberts "Winterreise" - die er einmal scherzhaft ankündigt - auf dem Programm stünden, so reich variiert er: mal bluesig, mal lyrisch hell, mal harte Attacke oder tändelnder Rhythmus.
Der Standard
Es ist schon ein Genuss, ihn zu belauschen, wenn er mit makelloser Intonation, mit verhaltener Sonorität und dennoch schlanker Wendigkeit, ohne alle Manierismen Harold Arlens Accentuate The Positive deklamiert. Auch balladeske Stimmungen beherrscht der 42-Jährige, auch wenn hier Vibrato und Pathos etwas durchschlagen. (...)
Trotz manch glänzenden Momenten aussagekräftiger Zurückhaltung, war doch klar, dass er sich die Songs - die er mit "agogisch" zu nennenden Abweichungen vom Notenpult las - zwar stimmlich angeeignet, aber kaum wirklich verinnerlicht hatte. Man soll nicht unbescheiden sein: Ein Lied darzubieten, als wäre es der eigenen Seele entsprungen, es zum authentischen Statement persönlicher Befindlichkeit zu machen, an dieser Herausforderung (nicht nur) der Jazzstandard-Exegese scheitern schließlich immer wieder auch viele Jazzer.
Kronen Zeitung
Seine große Opern- und Liedstimme ließ Quasthoff diesmal daheim; er genoss die rhythmisch schwungvolle Natur des Great American Songbook. Sein warmer Bariton umschmiegt die Tiefen ohne Prätention und findet auch in Vokalimprovisationen, über die sich Bobby McFerrin gefreut haben könnte, seinen Spaß. Das ist gediegener Jazz zur Unterhaltung, auf sehr anspruchsvollem Niveau.
Kurier
Es ist schön, einen Ausnahmekünstler in Hochform zu erleben, der weiß, was er tut, und von dem, was er tut, nicht nur was versteht, sondern auch das Bauchgefühl dafür mitbringt. Was keineswegs bei jedem Crossover-Künstler selbstverständlich ist. Standing Ovations am Ende eines atmosphärisch außergewöhnlichen Abends unterstreichen nur: Quast-hoff ist ein fantastischer Musiker, witziger Entertainer und wunderbarer Mensch.
Hör-Tipp
On stage, A Jazz Dream: Thomas Quasthoff feat. Till Brönner live in Vienna, Montag, 19. März 2007, 19:30 Uhr
CD-Tipp
Thomas Quasthoff, "The Jazz Album - Watch What Happens", Universal, ASIN: B000MGB3E4
Links
Wiener Zeitung - Die Lebenslust im Leo des Jazz
Der Standard - Aneignung und Verinnerlichung
Kronen Zeitung
Kurier
Thomas Quasthoff