Sprache und Übersetzung

(Krieg und Welt)

Der österreichische Autor Peter Waterhouse erkundet die Möglichkeiten von Sprache - ohne eindeutige Abgrenzung zwischen Lyrik, Prosa und Essay. Jetzt hat er sich in einem umfangreichen Prosatext der Biografie seines Vaters angenähert.

Peter Waterhouse hat den Titel seines Prosabandes in Klammer gesetzt: "(Krieg und Welt)". Da schwindet die Bedeutung von "Krieg und Welt", droht zur Nebensache zu werden. Was bleibt ist die Sprache, in Frage gestellt durch die Klammersetzung.

An einer Stelle von "(Krieg und Welt)" lässt der Autor ausführlich den Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure zu Wort kommen.

"Es gibt weder Tochter-Sprachen noch Mutter-Sprachen, es gibt sie nirgends, und es hat sie nie gegeben. (...) Es gab nie eine Geburt oder Zeugung eines neuen Idioms. Beginnen wir mit dem Tod. Eine Sprache kann nicht natürlicherweise beziehungsweise eines natürlichen Todes sterben."

Und diese Sätze Saussures kommentiert der Autor mit folgenden Worten:

Hatte das Lateinische sich ins Französische Tag für Tag übersetzt? Und war es wie eine Erneuerung? Vielleicht verjüngte sich die Geschichte? War darum alles Übersetzen ein Verjüngen und Wenigwerden?

Geheimagent Vater

Im Buch von Waterhouse geht es um eine andere Art des Übersetzens. Der Autor erinnert sich an den Vater, in der Bewegung von Anwesenheit und Abwesenheit. Der Vater hatte lange Jahre für den britischen Geheimdienst gearbeitet, war im Zweiten Weltkrieg und später an den Krisenherden dieser Welt vor Ort. Niemand wusste, ob er von einer Reise wiederkehren würde. Und wenn er dann doch wiederkam, so schwieg er über das Erlebte - er, der Deutsch oder Französisch so perfekt sprach wie seine Muttersprache Englisch.

Am Morgen fragte das Kind den Vater: Bist du weit im Wald gewesen? Bist du in einem Fluss geschwommen? Hast du die Elefanten gehört? - Und in der Stille waren die Antworten. Sie lauteten: Wald, Wasser, schwimmen, Elefanten. (...) Still neben dem Vater sitzend, immer wieder eine Frage stellend, die der Vater nicht beantworten konnte, konnte das Kind beinahe hineingehen in die Wälder, beinahe die Tiere berühren. Indem der Vater nichts sagte vom Wald, hatte der Wald alle Düfte. Der Wald, so unerzählt, hatte jeden Geschmack, hatte alle Töne und Geräusche.

Die Stille übersetzen

Schon das Kind übersetzte die Stille des Vaters in seine eigene Sprache, und als Erwachsener überträgt der Autor die Stille, die Worte und Gesten des nun toten Vaters in seine Erzählung. Die Erinnerung des Autors bringt "Erneuerung", wie Waterhouse sagt, Erneuerung von Geschichte. Sie und der Vater sind im Geschriebenen neu anwesend.

Das gilt nicht nur für den toten Vater, denn die Frau des Autors, die Übersetzerin Maria Fehringer, mit der er einige literarische Projekte realisiert hat, ist ebenfalls abwesend, tot. Der Autor, nun selbst Vater zweier Kinder, beobachtet die beiden, wie sie mit dem Tod umgehen. Und er bemerkt, wie der Tod in der Welt, auch in der Sprach-Welt, die Grenze von Abwesenheit und Anwesenheit markiert - eine Bewegung, die kaum gesagt werden kann.

Ich sah einmal: die Jüngere, um die Mutter weinend, sitzen, den Älteren zu ihr gehen und ihr, die aufgestanden war, den Arm legen um die kleine Schulter und sie mitnehmen mit den Worten: Komm mit mir. Ansonsten kein Wort, auch kein Thema, auch kein Gegner.

Fein gesponnenes Textgewebe

Der Tod markiert die Grenze zur Sprach-Welt und er ist, wie Waterhouse schreibt, kein "Gegner", dem man sich stellen kann. Im Titel von Waterhouses Buch "(Krieg und Welt)" hält der Tod "Krieg und Welt" umklammert und drängt diese Worte - und letztlich alle Worte - in die Abwesenheit, ins Vergessen.

Doch hat nicht der Autor den Linguisten Ferdinand de Saussure im Buch folgende Worte sagen lassen: "Beginnen wir mit dem Tod."? Beginnen wir vom Tod zu sprechen, weil Saussure meint, dass keine Sprache stirbt, sondern sich in andere Sprachen wandelt, sich mit ihnen verjüngt. Und heißt das dann nicht, dass alles, was in Sprache verzeichnet ist, nicht stirbt? Zumindest ist die Hoffnung da, dass es so ist, dass es so sein könnte.

Der Prosaband "(Krieg und Welt)" von Peter Waterhouse ist ein ganz fein gesponnenes Textgewebe, gewoben aus der Erinnerung, aus dichterischer Reflexion und aus sprachlichen Bildern, die das rein Autobiografische weit übersteigen. "(Krieg und Welt)" ist ein Sprachkunstwerk der Genauigkeit. Und genau muss eben ein Schriftsteller sein, der sich aus der Umklammerung des Todes sprachlich entwinden möchte - Zentimeter für Zentimeter, Wort für Wort.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Peter Waterhouse, "(Krieg und Welt)", Jung und Jung Verlag, 2006, ISBN 978-3902497130