Die Oase Siwa

(Zu) viel Wasser in der libyschen Wüste

In der westlichsten Oase Ägyptens sprudelt das Wasser wie von selbst. Wo einst das neben Delphi bedeutendste Orakel der Antike stand, hinterlassen zu viele sprudelnde Quellen einen riesigen Salzsee und wertloses Land. Wertlos?

Siwa ist die westlichste und vom Niltal am weitesten entfernte Oase Ägyptens. Nahe an der libyschen Grenze, 20 Meter unter dem Meeresspiegel, liegt sie südwestlich der Kattâra-Senke im Nordwesten des Landes. Rund 15.000 Einwohner sind von 300.000 Dattel-Palmen umgeben.

Die Datteln und Oliven aus Siwa gehören zu den Besten Ägyptens und werden fast ausschliesslich exportiert. Somit sind sie auf den Märkten des Landes Mangelware. 70.000 Olivenbäume, ein paar Lupinen- und Gemüsefelder - so weit die Eckdaten dieses fruchtbaren Gartens inmitten der kargen Landschaft. Erwähnt werden muss, dass die fade Schotterwüste vom Mittelmeer bis zur Senke im Süden der Oase den Sanddünen der Sahara weicht. Kaum ein Reisender schwärmt nicht vom Untergang der Sonne über dem riesigen Salzsee während im Hintergrund die Klischee-Dünen gelb beleuchtet werden.

Verhüllung
Die Siwis sind die östlichsten Vertreter der Berberkultur und sprechen einen Berberdialekt, der sie von den zugereisten Erntehelfern und bürokratischen Angestellten aus "Ägypten" unterscheidet.

Ethnologisch bemerkenswert ist die völlige Verhüllung der verheirateten Frauen mit einem blau-weißen und individuell bestickten 1,5 mal 1,5 Meter großen Tuch. Dass sich darunter oft farbenfrohe und schön bestickte Kleider befinden, bleibt dem westlichen Besucher verborgen - falls er männlich und schon in der Pubertät ist bzw. war. Weibliche Touristen hingegen dürfen sehr wohl mit Siwi-Frauen in Kontakt treten - am besten, wenn die Männer am Markt die Einkäufe erledigen.

Ohne Esel geht nichts

Durch Lautsprecheranlagen verstärkten Rufen der Muezzine und den Donnerstagabend singenden Sufis hauptsächlich eine animalische Spezies für die Geräuschkulisse verantwortlich: eine Hundertschaft von Eseln und Mulis, die trotz asphaltierter Verbindung ans Mittelmeer und zunehmender Motorisierung der Bevölkerung immer noch das Bild des Zentrums bestimmen.

Oben auf dem Hügel thront die - seit einem "tropischen" Regenguss in den 1920er Jahren - halbverfallene Altstadt Shali, unten breiten sich moderne Gebäude immer mehr aus und verdrängen die klassische und für die Wüste durchaus geeignete Lehmarchitektur.

1001 Quellen
Eine Besonderheit und Touristenattraktion von Siwa und den anderen Dörfern der Oase sind die seit einigen Jahren in schöne Steine gefassten Brunnen. An ihnen manifestiert sich das Paradoxon und gleichzeitig das größte Problem des vermeintlichen "Wüstenparadieses". Während in anderen Oasen das Wasser mühsam aus der Tiefe gepumpt werden muss, sprudelt es in Siwa im Überfluss aus dem Boden. Doch das Wasser ist salzhaltig, und führt zu einer Versalzung der Böden, auf denen nur wenige Produkte gedeihen.

Das überschüssige Wasser mitten in der wüstenhaften Umgebung mündet in tiefblaue Seen, wo das Wasser in den heißen Sommermonaten stark verdunstet. Weder Flora noch Fauna kann in diesen salzhaltigen Seen gedeihen.

Mineralwasser und Wüsten-Wellness

Siwa "ertrinke" regelrecht im (Salz-)Wasser, ist von Geologen immer wieder zu hören. Unterhalb der schier unendlich scheinenden Palmen- und Olivenhaine fließen Millionen Liter bestes Mineralwasser, fügen dieselben Experten dann meist hinzu.

Vor einigen Jahren wurde nun mit der Förderung der riesigen Mineralwasservorkommen, die in 1.000 Meter Tiefe unter der Oase, also auch unter dem mächtigen Gebel Mouta (Totenberg) oder unter den Überresten des einst riesigen Amun-Zeus-Tempels lagern, begonnen. Die zugehörige blaue Fabrikhalle am Rand des Sandmeeres, wo die Flaschen der Marke "Siwa" abgefüllt werden, passt optisch natürlich ganz und gar nicht an diese "gottverlassene" Stelle.

Es gibt auch seit Jahren schon Pläne, am Gebel Dakrour ein Touristenzentrum mit Rheuma-Heilbad zu bauen. "Rheuma-Kliniken" ordinieren ja schon länger hier: Im Sommer lassen sich gichtkranke Siwi und Patienten, die sogar aus Europa kommen, im heißen Sand am Fuß des Dakrour eingraben und entsprechend behandeln. Wüsten-Wellness sozusagen!

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 18. August 2008 2007, 17:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Link
Wikipedia - Oase Siwa