Erzählungen von Martha Gellhorn neu aufgelegt

Paare, Paare

Martha Gellhorn war eine der besten Kriegskorrespondenten des 20. Jahrhunderts. Auch als Literatin machte sie sich einen Namen. Eines ihrer Bücher ist jetzt neu aufgelegt worden. Im Mittelpunkt der vier Erzählungen steht der Krieg.

Die Erinnerung ist formbar, die Erinnerung ist eine willige Komplizin, und wenn Helen es vorzog, sich an jede Minute in London als eine glückliche zu erinnern, dann war das zulässig, aber nicht zutreffend.

Nicht nur die Erinnerung ist eine Komplizin, manchmal bedarf es anderer Menschen, um die Erinnerung wach zu halten beziehungsweise die Geschichte vielleicht auf eine andere Art und Weise zu erinnern. Martha Gellhorn war eine dieser Komplizinnen der Erinnerung: Sie wird als eine der besten Kriegskorrespondenten des 20. Jahrhunderts gehandelt. Der Spanische Bürgerkrieg, der Zweite Weltkrieg, Vietnam, der Nahe Osten - überall war sie vor Ort und schrieb Artikel und Geschichten.

Hauptdarsteller Krieg

Den Alltag in Kriegszeiten beschreiben, das Private als etwas Politisches sehen - auch im Buch "Paare" verfolgt Martha Gellhorn dieses Ziel. Die Hauptdarsteller in den vier Novellen, die es umfasst, sind vier Liebespaare - und jedes Mal der Krieg. Egal ob in Italien, in England, oder in New York, immer lockt er die Männer von zu Hause weg, hinterlässt Wunden, die nicht wieder heilen, avanciert zum Gesprächsthema Nummer eins auf Cocktailpartys, oder bringt den Menschen Arbeit und einen gewissen Hauch von Abenteuer.

Je nachdem, in welche Kreise uns Martha Gellhorn mit ihrer pointierten Sprache und ihrem Feingefühl für den Augenblick entführt, der Krieg ist immer präsent, doch immer anders. Mit Leichtigkeit springt sie von einer Gesellschaftsschicht in die andere, wechselt den Blickwinkel, als würde es sich um Sonnenbrillen handeln. Weg mit der großen schwarzen, kurz mal die rosarote aufgesetzt, und schon haben sich die Augen wieder an das matte Grau nebelverhangener Tage gewöhnt.

Wenn er je wieder nach Hause kommt, dachte Kitty müde, wird er von mir entsetzt sein. Ich muss doch nicht ganz so schrecklich aussehen, ich könnte mir ein bisschen Mühe geben. Aber wozu? Für wen? Warum durften Frauen eigentlich nicht hässlich sein? Sie führten keine Kriege, sie hatten ein Recht darauf, hässlich zu sein.

Aus dem Blickwinkel der Frauen

Gellhorns Repertoire an Personen und Positionen ist beeindruckend, was das Buch "Paare" aber außergewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass wir den Krieg und die Nebenschauplätze hauptsächlich aus den Augen von Frauen überliefert bekommen. Und Gellhorn begnügt sich nicht mit dem gängigen Typus der wartenden Verlobten oder der aufopfernden Krankenschwester. Ihre Frauen sind manchmal streitlustig, manchmal unterwürfig, meistens verliebt und in einigen Fällen sehr berechnend.

Dieses Schauspiel hatte sie schon so oft erlebt: Männer blühten auf, entfalteten sich in ihrer ganzen Pracht, nicht, weil man sich ernsthaft engagierte, sondern weil man ihnen zuhörte. Jahre erfolgreichen Experimentierens hatten sie gelehrt, dass sie genauso genommen nicht einmal zuhören brauchte. Ein glänzender, beifälliger Blick genügte, ein aufmunterndes Lächeln. Unglaublich, dass manche Frauen tatsächlich mit Männern ins Bett gingen, um etwas zu erreichen, ließen sich die Herren doch alleine durch - vermeintliches - Zuhören einwickeln.

Kritische Beobachterin

1998 nahm sich Martha Gellhorn das Leben, und in den 89 Jahren ihres Daseins hat sie so viele Kriegsschauplätze wie kaum jemand anders gesehen. Doch es scheint so, als wäre sie Zeit ihres Lebens eine kritische, aber keinesfalls verbitterte Beobachterin geblieben, mit fortwährendem Interesse am Weltgeschehen und einem sehr scharfzüngigen Sinn für Humor. Die vier Novellen in "Paare" sind ein Beweis dafür.

"Ein jämmerlicher Krieg", sagte er. "Krieg wird immer schlimmer, man sollte das aufgeben. Ich persönlich ziehe mich zurück und mache nur noch Fotos von hübschen Mädchen mit viel Busen. Nie wieder hässliche Männer in Khaki-grün sehen, das wird mir eine Freude."

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Martha Gellhorn, "Paare, Paare. Erzählungen", aus dem Englischen übersetzt von Miriam Mandelkow, Dörlemann Verlag, ISBN 978-3908777267