Wie im Terrarium
Unter Paaren
Sie fahren Mercedes SLK, tragen Ray-Ban-Brillen und Jacken aus "ultraleichtem, hochdichten Polyestergarn mit seidigem Glanz". Die Welt, in der sich die Personen in Thomas Langs Roman bewegen, ist von der Werbung diktiert - und der Sprachlosigkeit.
8. April 2017, 21:58
Man trägt lässige Freizeitkleidung, zeigt stolz seine Besitztümer und redet über das neueste Navigationssystem, über japanische Gärten und das Leben auf dem Land. So ist es, wenn man "Unter Paaren" ist, wenn Freunde von früher, einander längst nicht mehr nahe, sich wiederbegegnen. Zumindest in Thomas Langs gleichnamigen Roman ist es so.
Ein seltsames Wochenende
Der Autor schickt vier Figuren für zwei Tage in ein einsam gelegenes Landhaus: Per und Rafa, die Gastgeber, ein Paar mit Geld und getrennten Wohnsitzen, treffen auf Pascal, einen Karrieremann mit noch mehr Geld, und dessen junge, intellektuelle spanische Freundin.
Thomas Langs Sprache ist knapp, nüchtern und schnörkellos. Mit teilnahmsloser Gelassenheit beschreibt der Roman die Anziehungs- und Abstoßungsbewegungen seiner Figuren - Paare, die eigentlich Singles und - bis auf die altkluge Germanistikstudentin aus Spanien - Anfang der 40 sind.
Verhaltensweisen und Reaktionen
Ohne dass Einfühlung eine Kategorie seines Erzählens wäre, allein durch das Festhalten von Verhaltensweisen und Reaktionen in einem Ton, der dem von Gebrauchsanweisungen nicht unähnlich ist, macht Lang die Spannungen innerhalb seines Figurenquartetts deutlich. Wie die Frösche in Pers Terrarium, so erscheinen in diesem Roman die Paare: eingesperrt und ausgestellt in einem Erzähllabor.
Es ist eine Welt aus Designerklamotten, Markenartikeln und Schöner-Wohnen-Ambiente, in der sich Thomas Langs Figuren einrichten. Man besitzt nicht einfach eine Sonnebrille, einen Stuhl oder ein Mercedes-Cabrio, man hat eine Ray Ban, einen Eames-Stuhl oder einen "SLK 32 AMG".
Ausführlich geht der Autor auf die Accessoires seiner Figuren ein, unermüdlich zitiert er die vermeintlichen Eigenschaften ihrer Kleidung, Hautcremes oder Outfits. "Er öffnet den Reißverschluss seiner dunkelblauen Übergangsjacke aus ultraleichtem, hochdichten Polyestergarn mit unvergleichlichem, seidigen Glanz und wasserdichter, metallisierter hoch atmungsaktiver Beschichtung", heißt es, nachdem Per durchs Unterholz stolperte.
Zwei Erzählebenen
In Thomas Langs Roman passiert - fast - nichts, das aber auf raffinierte, die Lesererwartung gespannt haltende Weise. Wird Rafa mit Pascal durchbrennen? Per Inita zum Sex verführen? Warum ist Pascals Freundin spurlos verschwunden? Mutiert da eine Beziehungsgeschichte zum Kriminalroman?
Lang zieht in die Geschichte eine zweite Erzählebene ein, die aus mit geraumem zeitlichen Abstand geführten Interviews mit den Protagonisten besteht, die freilich mehr andeuten als aufklären, und streut in die penetrant inszenierte Banalität des Alltags Momente der Irritation. Thomas Lang starrt so lange auf die Fassade aus gepflegtem Ennui und sterilem Materialismus, bis sie Risse bekommt, bis nichts mehr als sicher und selbstverständlich erscheint.
"Höchststrafe"
Am Ende von "Unter Paaren" sind Per und Rafa wieder unter sich, ist das Rätsel der entschwundenen Spanierin auf simple Weise geklärt, der Reiz des leichtlebigen Pascal erloschen. Was bleibt? Ein Leser, der sich mit einem billigen Finale zufriedengeben muss und ein Paar - Per und Rafa -, das das junge Glück simuliert. Ein Happy-end also?
"Als ich das geschrieben habe, habe ich eigentlich gedacht: Höchststrafe", entgegnet Lang. "Denn wie es im Leben leider oft ist, ziehen diese Figuren keine Konsequenzen. Thomas Lang ist ein anspruchsvoller, raffiniert gebauter und in seiner demonstrativen Künstlichkeit auch durchaus origineller Roman gelungen, der durch seine Komposition überzeugt, nicht aber durch seine Sprache und auch nicht durch seine Figuren, die eindimensionaler, schablonenhafter und kleinkarierter sind als das Personal der Wirklichkeit, dabei durchaus mit koketter Selbsterkenntnis ausgestattet: "Letztlich sind wir Tiere", sagt Per einmal, "Tiere mit schicken Klamotten."
Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 4. März 2007, 18:15 Uhr
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Buch-Tipp
Thomas Lang, "Unter Paaren", C. H. Beck Verlag, ISBN 978-3406556104