Die Geburtsstunde des abendländischen Musiktheaters

400 Jahre Oper

Der 24. Februar 1607, an dem die Uraufführung von Monteverdis "L'Orfeo" in Mantua stattfand, gilt als Geburtsstunde des abendländischen Musiktheaters. Wien feiert den 400. Opern-Geburtstag mit einer "L'Orfeo"-Aufführung im Theater an der Wien.

Verglichen mit dem Theater, das bekanntlich bereits in der Antike eine Institution war, ist die Gattung Oper eine ziemlich junge Kunstform. Die Ursprünge liegen an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Als "Geburtsstunde des abendländischen Musiktheaters" gilt der 24. Februar 1607 - der Tag der Uraufführung von Claudio Monteverdis "L'Orfeo" am Hof des Herzogs von Mantua.

Im Theater an der Wien wird dieser 400. Geburtstag am Sonntag, 25. Februar 2007, mit einer konzertanten Aufführung in italienischer Sprache gefeiert. Am Samstag, 24. Februar 2007, gibt es dazu um 19:00 Uhr eine Einführungs-Soiree, an der auch Dirigent René Jacobs und Sänger Stéphane Degout teilnehmen werden. Neben einer Werkeinführung wird auch die Rezeptionsgeschichte dieser Oper anhand von Ton- und Videoeinspielungen behandelt.

Wiener "L'Orfeo" mit René Jacobs

Am kommenden Sonntag folgt eine konzertante Aufführung von "L'Orfeo", bei der René Jacobs - er war unter anderem bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik und an der Berliner Staatsoper Unter den Linden für erfolgreiche Aufführungen dieses Werks verantwortlich - die Akademie für Alte Musik Berlin & Concerto Vocale sowie den Vocalconsort Berlin dirigiert. Den Orfeo singt Stéphane Degout, die Euridice Sunhae Im.

Beginn mit "Favola in musica"

Claudio Monteverdi (1567-1643), der nach einem Libretto von Allessandro Striggio komponierte, hatte mit seiner Folge von Rezitativen mit kleiner instrumentaler Begleitung, die von musikalischen Zwischenspielen unterbrochen wurden, eine neuartige Verbindung von Text und Musik geschaffen. Nur: "Oper" nannte man das von Vincenzo Gonzaga I. in Auftrag gegebene und aus einem Prolog sowie fünf Akten bestehende Werk noch nicht.

Als Bezeichnung für das Stück, das sich an der Sage der griechischen Mythologie um die Liebe zwischen Orpheus und Eurydike orientiert, wurde "Favola in musica" (musikalische Fabel) gewählt.

Die Geburt der Gattung Oper

Der Erfolg war durchschlagend. Die Synthese aller Stilelemente der frühbarocken Musik hatte in Verbindung mit der dramatischen Handlung die Gefühlsmaschine Oper begründet, die ihren Höhepunkt im 18. und 19. Jahrhundert fand.

Das norditalienische Städtchen Mantua feiert diesen Samstag den 400. Geburtstag mit einer "L'Orfeo"-Aufführung im Teatro Bibiena. "Der 'Orfeo' hat den Namen unserer Stadt auf die Bühnen aller Kontinente gebracht", kündigten Sprecher der Stadt das Ereignis an.

Deutscher Bühnenvereins-Präsident Zehelein zum Jubiläum

Zum 400-jährigen Jubiläum der Oper hat der Deutsche Bühnenverein die unverändert große Bedeutung dieser Musikgattung für die Identitätsbildung der Menschen und die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen betont.

Die Oper dürfe in Deutschland nicht Sparzwängen geopfert werden, sagte Bühnenvereins-Präsident Klaus Zehelein am Freitag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Die Bedeutung der Oper

"Oper ist Arbeit an der Zukunft, künstlerische Arbeit ist zunehmend Bildungsarbeit", sagte Zehelein. Oper speise sich aus dem Erfahrungsschatz der Menschen. "Mit jeder intensiv erarbeiteten Aufführung lenkt sie unseren Blick auf zentrale Fragen des Lebens - in einer Welt, die sich viel zu oft mit der reinen Oberfläche zufrieden gibt". Die Oper sei die einzige Kunstform, "die alle Sinne anspricht und sich jenseits aller Sprach- und Kulturgrenzen mit einer einzigartigen Intensität der musikalischen und szenischen Darstellung jedem Einzelnen, ob alt oder jung, auf einzigartige Weise erfahrbar macht".

Oper bewahre "in der Gegenwart das Vergangene als Geschichte des Menschen. Sie erzählt von Hoffnungen und Träumen, Trauer, Empörung und Niederlagen - in der Aufforderung, sein Leben selbst zu gestalten", stellte Zehelein, der auch Präsident der Bayerischen Theaterakademie in München ist, fest.

Oper und Theater als Orte der Erinnerungsarbeit

"Vielleicht sind einige heutige Aufführungen so aufregend lebendig, weil aus ihrer musikalisch-dramatischen Gestaltung Verletzung, ja Verlust autonomen Handelns schmerzlich zu sprechen vermag", so Zehelein.

Oper und Theater seien Orte der Erinnerungsarbeit. "Geben wir diese Orte auf, indem wir sie der Aufrechnung im vordergründigen Kosten-Nutzen-Denken überantworten, verraten wir einen Teil unseres Lebens."

Oper als identitätsstiftendes Medium erhalten

Vielerorts sei Oper bedroht wegen der Sparzwänge in den Städten und Ländern. "Die Politik muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein, die Oper als identitätsstiftendes Medium ästhetischer Bildung und Erfahrung zu erhalten. Leider hat sich dieses Bewusstsein bislang nur sehr bedingt durchgesetzt. Hier ist eine ganz neue Initiative vonnöten." Darüber hinaus sei es wichtig, dass Opernhäuser neue Werke in Auftrag geben und den Werken zweite und dritte Aufführungen ermöglichen.

Opern dürften nicht zu Museen werden. "Neue Werke gehören genauso in das Repertoire wie Mozart, Verdi und Wagner." Nötig seien aber auch Freiräume zum Erproben neuer Erzählformen mit elektronischen und anderen technischen Mitteln. Dabei seien Orchester zunehmend bereit, Neue Musik in ihr Programm aufzunehmen, sagte der 66-Jährige. Voraussetzung für die Zukunft der Oper sei die kulturelle Bildung in den Schulen und die Ausbildung des Nachwuchses.

Theaterraum als Erfahrungsraum

"Unsere Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat gezeigt, dass auch in einer von Fernsehen, Gameboys und Computern beherrschten Welt eine Sehnsucht vorhanden ist, den Theaterraum als Erfahrungsraum zu erkunden. Das aktive Erleben und eigene Erarbeiten von Rolle, Szene und musikalischem Ausdruck erfüllt diese Sehnsucht sehr viel stärker und nachhaltiger als eine nur auf den Moment fixierte Erlebnisfülle, die oft genug ein schales Gefühl hinterlässt", meinte Zehelein.

Mehr zu den European Opera Days in oe1.ORF.at und zum Theater an der Wien in Ö1 Club

Veranstaltungs-Tipp
Claudio Monteverdi, "L´Orfeo", konzertante Aufführung, musikalische Leitung: René Jacobs, Sonntag, 25. Februar 2007, Beginn: 19:00 Uhr

Links
Wikipedia - Oper
Wikipedia - Rene Jacobs
Claudio Monteverdi
Akademie für Alte Musik Berlin
Concerto Vocale
Theater an der Wien
Vocalconsort Berlin