Eine lange Geschichte

Tod und Mädchen

Vor vielen Jahren lernte ich Franz Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-Moll kennen, woraufhin ich es ständig hören musste und es mich denn über die folgenden Jahre begleitete, zwischen mancher Unbill und reichlich versäumter Trauerarbeit lustig hindurch.

Albin erzählte von Schubert, an einem dieser Nachmittage, als wir an meinen unfassbar schlechten Gedichten gearbeitet hatten. Er erzählte von Schubert und der feuchten Kammer. Und von der Quecksilberbehandlung, die Schubert zum zweiten Mal hatte über sich ergehen lassen, wegen der Syphilis, die damals en vogue war. Schubert hatte das Ende gespürt, das doch erst vier Jahre später kommen sollte, aber in jenen Augenblicken muss es ausgesprochen gegenwärtig gewesen sein. Natürlich hatte er kein Geld, die Freunde hatten sich abgewandt, ein sprichwörtliches Elend.

Zumindest in Albins Erzählungen. Er sprach von Schuberts Streichquartett Nr. 14 in d-Moll, "Der Tod und das Mädchen". Ich war in jener Zeit für derlei Input offen, immer tragisch, immer am Ende. Also überspielte ich mir seine CD, darauf konnte man, wenn man ein geeignetes Abspielgerät zur Verfügung hatte und dieses zu bedienen verstand, vier muntere Herren hören, wie sie ihren Instrumenten die unglaublichsten Melodien abnötigten. Es waren die vier Herren des Alban Berg Quartetts, damals noch inklusive Thomas Kakuska, der mittlerweile verstorben ist.

Nette Pläne

Ich hätte wollen genau mit ihm über dieses Streichquartett sprechen, für eine Radiosendung, Feature, Kakuska erklärt den Tod und auch das Mädchen und ich plaudere ein wenig darüber, wie genial ich das Stück finde. Denn: Ich fand das ganz ausgezeichnet und hörte es phasenweise mehrmals täglich, nach den Mahlzeiten mit ausreichend Alkohol zum Beispiel. Und ich hatte auch immer schön Gänsehaut, von unten nach oben und wieder retour. Damals lag auch mein Vater im Sterben, und die Klänge von Monsieur Schubert fanden in mir stets eine gewisse Resonanz, denn ich bin ein sensibles Kerlchen.

Nachdem mein Vater, der Arme, endlich gestorben war - es war tatsächlich kein komfortables Leben mehr für ihn gewesen -, schlug ich dem zuständigen Herrn, damals hieß der Peter Klein, vor, irgendwas über dieses Streichquartett zu machen, so mit Kakuska und weiß der Teufel. Peter Klein fand das super. Dann starb Kakuska. Dann merkte ich, dass mir "Der Tod und das Mädchen" schön langsam richtig auf die Eier geht und ich es nämlich überhaupt nicht preisgeben wollte, dass und warum es mich bewegte, dieses "finsterste" aller Schubert-Werke, wie findige Kritiker schon mal anmerken, wenn es ihnen grade leicht von der Feder geht.

Am A... der Welt

Zu mehr als einem Riesenklumpen Klischee war auch ich nicht fähig, als ich schließlich zu schreiben begann. Das dauerte einige Wochen, ich tat es in meinem 150 Jahre alten, im Herbst davor erworbenen Haus, welches ohne fließend Wasser betrieben wurde und ungefähr zwölf Volt hatte, um zwei Halogenlämpchen immer wieder verlöschen zu lassen, weswegen man sich auch gerne eine Kerze aufstellt bei solchen Gelegenheiten. Dass die verdammte Hütte dann abgebrannt ist, ist Pech. Ist ja auch egal, Hauptsache das mit Schubert ging erst mal gewaltig in die Hose.

Dann begann ich mit dem Schreiben noch einmal von vorn. Am besten hören Sie es sich an, weil ich kann das hier nicht alles nacherzählen, würde zu lange dauern.

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