Wolfgang Reisingers "Refusion"

Ein Sideman-Star mutiert zum Leader

Er gilt seit den 1980er Jahren als international renommiertester Schlagzeuger Österreichs. Doch erst in letzter Zeit lanciert Wolfgang Reisinger auch erstmals nachhaltig seine eigene Solokarriere – mit dem brandneuen Album "Refusion".

Sie zählten in den letzten Jahren zweifelsohne zu jenen Konzertereignissen, die ohne Umschweife das Attribut "brillant" verdienten: die Duo-Auftritte Dave Liebmans mit Wolfgang Reisinger. Es war schon eindrucksvoll, wie sich da eine hochkonzentrierte, filigrane perkussionistische Soundfülle kontrapunktisch um die in substanzbewusster Logik entwickelten Sopransaxofon-Linien legte: Schlagender Beweis für Reisingers Stellung in der ersten Reihe von Europas Trommel-Meistern, einen Status, den auch die Gründung des Trios mit Liebman, dem ehemaligen Miles-Davis-Mitstreiter, und Bassist Jean-Paul Celea anno 1996, sowie neuerdings die Berufung ins Trio Joachim Kühns bestätigten.

Insbesondere in Frankreich erarbeitete sich der heute 52-jährige Wiener nach seinem Ausstieg aus dem "Vienna Art Orchestra" 1989 einen exzellenten Ruf: als Virtuose, der klangliche Sensibilität und Formbewusstsein seines "europäischen" Backgrounds mit der Vielseitigkeit und Flexibilität amerikanischer Instrumentalkollegen verbindet, und dessen Spektrum von Rock-Jazz bis zu freiem Spiel, von kammermusikalischen Improvisationskonzepten im Bereich der "Folklore imaginaire" bis hin zu elektro-akustischen Materialschichtungen reicht.

Vielseitig und viel beschäftigt

Eines überraschte indessen über all die Jahre: Österreichs führender Schlagzeug-Export trat kaum mit Projekten unter eigenem Namen in Erscheinung. Sicherlich, da gab es anno 1994 die CD "Matador" gemeinsam mit Wolfgang Mitterer, seinem treuen Weggefährten aus seligen "Pat Brothers"-Tagen. Da waren sporadische Bandunternehmungen wie das in wechselnden Besetzungen formierte Quintett "Spirits". Und da war auch das seit 1992 betriebene Solo-Programm, in dem Reisinger gleich einem Ein-Mann-Orchester seine dichten perkussionistischen Texturen mittels programmierter Sample-Pads strukturierte: Projekte, die bei aller Qualität stets im Hintergrund der Sideman-Tätigkeit blieben. Was anders werden soll.

"Ich werde in Zukunft meine Sideman-Jobs auf einige wesentliche beschränken, um mehr Zeit für die eigene Musik zu haben. Ich denke, die Zeit ist reif für die Solokarriere", so Reisinger. Die erforderliche Startvorgabe hat der Schlagzeuger mit der soeben erschienenen CD "Refusion" erfüllt.

Konzept mit humanistischer Dimension

Das Projekt basiert auf einem für das Jazzfestival Saalfelden 2003 konzipierten Programm und fasst stilistisch wie personell gleichsam mehrere Pole seiner Aktivitäten zu einem prominenten Sextett zusammen: Die Trio-Kombattanten Liebman und Celea stehen für den freien Jazz-Kontext, Celea, einst im Ensemble InterContemporain aktiv, zusammen mit Wolfgang Mitterers Synthesizer-Klängen auch für den zeitgenössischen E-Musik-Kontext.

Der Bass von Matthew Garrison hingegen erdet das Geschehen immer wieder groovig, während Frankreichs Gitarren-Dekonstruktivist Marc Ducret eigene Akzente setzt: "Koordinierte Unabhängigkeit" heißt in Bezug auf die immer wieder simultan improvisierenden Mannen der konzeptuelle Leitgedanke, der auch ein humanistischer ist. Wolfgang Reisinger: "Was in sich selbst sein Zentrum trägt, was in sich logisch ist, das ist auch mit allem anderem kompatibel".

Hör-Tipp
Ö1 Jazznacht, Samstag, 17. Februar 2007, 23:40 Uhr

CD-Tipp
Wolfgang Reisinger, "Refusion", Universal Music

Link
Wolfgang Reisinger