Philippe Djians Weltverständnis
Die Welt ist Vibration
"Es geht mir auch um den Klang der Wörter", so der 1949 in Paris geborene Philippe Djian. "Ich glaube, dass die Welt eine Vibration ist und ich weiß, dass die Phrasen, die ich schreibe, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit derselben Intensität vibrieren".
8. April 2017, 21:58
Den Namen Djian auszusprechen, ist kein Leichtes. Von den meisten wird er anfangs wie der französische Senf ausgesprochen, Dijon. Ist die Buchstabenreihenfolge aber mal geschafft, vergisst man den Namen nicht mehr. Hinter ihm steckt ein Kultautor, der mehr als 20 Bücher geschrieben hat.
Auf das Leben!
Liebe, Leidenschaft, Obsession, Schmerz, Einsamkeit: Alles, was zum Leben dazu gehört findet man in Philippe Djians Büchern, einmal mehr und einmal weniger präsent. Die Protagonisten, es sind zumeist Schriftsteller, heben ihr Sektglas auf das Leben und stoßen an, manchmal zerbricht es ob der Wildheit, manchmal hat es nur einen Kratzer und droht auseinander zu brechen.
Aber das Scherben-Aufsammeln macht bekanntlich Spaß, vor allem wenn die Djiansche Feder sowohl in die pathetische, wie auch die unsichere und humorvolle Tinte getaucht wird. So liest man dann von Menschen und ihren Fehlern, Abhängigkeiten, sexuellen Phantasien, die sich selbst in Schwierigkeiten reiten, oftmals andere dafür verantwortlich machen und dabei aber nicht jenen Sarkasmus vergessen, den es zum Leben und Überleben braucht.
Hoffnungsloser Optimist
"Ich bin ein hoffnungsloser Optimist", sagt Djian über sich selbst. "Ich denke, dass das Leben so ist und aus. Es ist nicht witzig, aber auch nicht schrecklich. Man hat uns gesagt, dass es auf Erden ein Paradies gebe, es gibt also keinen Grund, dass alles gut läuft, es ist normal, dass wir weiter wie Tiere leben, dass wir überall Kriege führen. Derzeit ist es so wie bei den Höhlenmenschen, um uns herum gibt es Kriege und die Leute erwürgen sich. Der Rest ist nur rosaroter Puderzucker."
Diese Sätze fassen Djians trockenes Weltverständnis wohl am Besten zusammen. Er beschreibt die Dinge, wie er sie sieht, da gibt es keine Beschönigungen, keine radikalen Überzeichnungen, nichts. Deshalb hat Djian auch so viel über Sex geschrieben, oder nicht über den Sex, nein, er hat den Sex niedergeschrieben. "Wenn ich die derben Worte der Pornografie benutze, muss ich Ihnen nicht zuzwinkern, um zu wissen, ob Sie mich verstanden haben, ich spreche die Dinge aus", erklärt Djian.
Vibrierende Musikalität
Djian, der Musiker hätte werden wollen, versucht, dass seine Texte, seine Sätze gleichzeitig mit der Welt vibrieren. "Das bedeutet aber nicht, dass die Literatur sich der schnellen Zeit anpassen muss", erklärt der 58-jährige Autor. Man könnte sagen, dass sie sonst nicht vibrieren würde, so ganz ohne Reibung. Und so ist es eine Mischung, die Djian anvisiert.
"Das sind nicht sehr, sehr kurze Phrasen wie zu Raymond Carvers Zeiten oder sehr lange Sätze, die über drei, vier Seiten gehen wie zu Marcel Prousts Zeiten. Das Bild der Welt, das mich umgibt, lässt sich so beschreiben - der Satz ist zugleich schön und chaotisch, er hinkt, er ist ein wenig wie eine schöne Frau, die ich hinkend auf der Straße sehe."
Hör-Tipp
Tonspuren, Freitag, 19. September 2008, 22:15 Uhr
Buch-Tipps
Philippe Djian, "Reibereien", aus dem Französischen übersetzt von Uli Wittmann, Diogenes Verlag
Philippe Djian, "Die Frühreifen", aus dem Französischen übersetzt von Uli Wittmann, Diogenes Verlag
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Philippe Djian, "In der Kreide", aus dem Französischen übersetzt von Uli Wittmann, Diogenes Verlag
Links
Wikipedia - Philippe Djian
evene.fr - Interview mit Philippe Djian