Banda Aceh zwei Jahre nach dem Tsunami

Hilft die Hilfe?

Zwei Jahre sind seit der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean vergangen. Am schwersten war die Provinz Aceh auf Sumatra in Indonesien betroffen. Der Wiederaufbau ist für die Helfer in der vom Bürgerkrieg geschüttelten Provinz eine große Herausforderung.

Statements einer Überlebenden und eines Helfenden

Durch den Tsunami am 26. Dezember 2004 wurden rund 300.000 Menschen in elf Ländern getötet, nachdem ein schweres Erdbeben der Stärke 9.0 nach Richter im Indischen Ozean vor Sumatra eine gewaltige Flutwelle ausgelöst hatte. Zwei Millionen Menschen wurden obdachlos. Am schwersten war die Provinz Aceh auf Sumatra in Indonesien betroffen, wo nach Schätzungen des Internationalen Roten Kreuzes rund 170.000 Menschen ums Leben kamen.

Nach der Katastrophe folgte die Hilfe. Nationale und internationale Experten des Wiederaufbaus kamen und warfen ihr Hilfsnetz aus: erst Nothilfe, dann Hausbau samt dem Versuch der Rehabilitation von Arbeitsmarkt, Gesundheits- und Bildungswesen. Vieles davon ist hängen geblieben, einiges auch nicht.

Häuser für mehr als tausend Familien

Fährt man auf der Hauptstraße, die sich entlang der Küste in der vom Bürgerkrieg geschüttelten Provinz Aceh im Nordwesten Sumatras schlängelt, finden sich links und rechts der Strecke zwischen neu errichteten Häusern immer wieder Betonfundamente. Es sind die Überreste von Häusern, die es nicht mehr gibt. Die neu erbauten Dörfer, die man sieht, wirken wie natürlich gewachsen.

Den zahlreichen Hilfsorganisationen wie die indonesische Wiederaufbaubehörde BRR, die Caritas oder lokale Hilfsorganisationen wie Mamaia scheint es gelungen zu sein, sichtbare Zeichen zu setzen. Dies bestätigt auch Caritas-Präsident Franz Küberl. Durch die gelungene Zusammenarbeit mit den Behörden und der Bevölkerung seien Häuser für 1.057 Familien entstanden, die in 15 Dörfern der Region ihr Leben nach dem Tsunami wieder eigenständig aufgebaut haben.

Hilfe für Selbsthilfe

Die Betroffenen in den Wiederaufbau zu integrieren sei für viele Hilfsorganisationen ein Grundsatz ihrer Arbeit. Es gehe dabei um das Prinzip "Hilfe zur Selbsthilfe“, erläutert Georg Matuschkowitz, Verantwortlicher für die Tsunami-Hilfe der Caritas Österreich. Auch Toby Gould von der in London ansässigen humanitären Organisation RedR bestätigt: "Hilfsorganisationen, die verantwortlich helfen wollen, müssen die Menschen vor Ort miteinbeziehen."

Das so genannte "Sphere Project", an dem insgesamt 400 Organisationen in 80 Ländern mitgearbeitet haben, hat dabei auch internationale Standards festgelegt. Es sind Mindeststandards, an die sich Hilfsorganisationen wie Rotes Kreuz, Caritas, Oxfam oder Care halten, wenn sie nach einer Katastrophe Nothilfe und Wiederaufbau leisten. Im Detail sollen dabei mindestens 3,5 Quadratmeter Fläche pro Person in einer Notunterkunft zur Verfügung stehen oder mindestens 15 Liter Wasser pro Person und Tag zum Trinken, Kochen und für die persönliche Hygiene.

Koordination und Abstimmung ausschlaggebend

Hilfsorganisationen, die wie Heuschreckenschwärme in ein Land einfallen und nach kurzer Zeit wieder abziehen, braucht niemand. Wer verantwortungsvoll helfen möchte, braucht einen langen Atem. Der Wunsch zu helfen allein ist dabei nicht genug. Koordination und Abstimmung unter den unterschiedlichen Hilfsakteuren nach einer Katastrophe sind daher überlebensnotwendig.

Um die Kommunikation zwischen den Akteuren zu erleichtern, richtete die indonesische Regierung die Wiederaufbaubehörde BRR ein - mit dem Ziel, 600.000 Grundstücke zu überschreiben. Bis Mitte 2006 wurden aber lediglich 2.608 Grundstücksbescheinigungen ausgestellt. Der Grund: Korrputionsfälle. Bei fünf Projekten wurden finanzielle Unregelmäßigkeiten in Höhe von insgesamt 2,6 Millionen Dollar festgestellt. Die BRR willigte daher Anfang November in die Kontrolle durch die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International ein, um derartige Vorfälle künftig zu verhindern.

Ausländische Hilfe ein Balanceakt

Dass eine Katastrophe wie der Tsunami auch Positives bewirkt hat, sieht man daran, dass nach 30 Jahren Bürgerkrieg in der Provinz Aceh am 11. Dezember vergangenen Jahres unter internationaler Beobachtung freie Gouverneurswahlen stattfanden. In der Not habe man sich gegenseitig geholfen, sagt auch der Gewinner dieser Wahlen, der ehemalige Rebellensprecher der "Bewegung freies Aceh", Irwandi Yusuf.

Dass es dennoch für Hilfsorganisationen schwierig ist, in einem durch Krisen geschüttelten Land sinnvoll zu helfen - sprich: sich nicht aufzudrängen - liegt auf der Hand. Toby Gould meint dazu, als ausländische Hilfskraft wird jeder Einsatz zu einem ethischen Balanceakt, wenn es um einen Mittelweg zwischen einmischendem Handeln und passiver Attitüde geht: "Es ist oft einfacher, die technischen Bereihe zu behandeln und die Bereiche, in denen es um soziale Beteiligung geht, zu ignorieren."

Nachhaltig helfen

Hilfreich helfen heißt nachhaltig helfen. Die Öffentlichekit will immer sofort sehen, was mit den gespendeten Geldern passiert. Schnelle Hilfe ist überlebenswichtig, rastloses Handeln schadet jedoch mehr, als etwas Positives zu bewirken. "Die Hilfe darf natürlich nicht mit der Nothilfe aufhören. Es gehört auch der Wiederaufbau dazu, damit die Leute nicht nur dorthin zurückkehren, wo sie schon vor der Katastrophe waren, sondern sich ihr Leben überhaupt verbessert", sagt auch Toby Gould.

Zwei Jahre nach dem Tsunami sind viele Wiederaufbauarbeiten abgeschlossen bzw. wird die Weiterführung der Projekte der Verantwortung den lokalen Partnern überlassen. Viele internationale Hilfsorganisationen beginnen daher die betroffenen Gebiete in der Provinz Aceh zu verlassen. Ein richtiger Schritt? "Ja", sagt Caritas Präsident Franz Küberl, denn die Hilfe müsse verschwinden. Niemand wolle in Wirklichkeit, dass einem geholfen wird, wenn man sein Schicksal selber in die Hand nehmen könne.

Hölr-Tipp
Journal-Panorama, Donnerstag, 15. Februar 2007, 18:25 Uhr

Links
Caritas Österreich
Österreichisches Rotes Kreuz
care Österreich
Oxfam international
Wikipedia - Sumatra