Ein Psychogramm
Martin Puntigam mit "Luziprack"
In seinem 10. Solo schlüpft Martin Puntigam in die Rolle eines Versicherungsmaklers, der scheinbar mit den alltäglichen Tücken des Lebens zu kämpfen hat. Mit der Zeit wird aber deutlich: Tief in der Seele des Mannes schlummern gar arge Ideen und Gedanken.
8. April 2017, 21:58
Trockennahrung hat's in sich
Jede Menge Zündstoff bietet der Steirer Martin Puntigam in seinem 10. Solo "Luziprack". So harmlos wie der gleichnamige, längst aus der Mode gekommene Glücksspielautomat, aus dem viele kleine Teufelsköpfe herausspringen, auf die man möglichst schnell draufschlagen sollte, so harmlos ist Puntigams "Luziprack" keineswegs.
Wenn die Maske fällt
Der Protagonist dieses diabolischen Ein-Mann-Theaterstücks ist ein gebildeter Mittelständler, Versicherungsmakler von Beruf, auf den ersten Blick ein harmloser, treu sorgender Familienmensch. Vordergründig nett, und doch voller erschreckender Abgründe. Als Sympathieträger kann man diesen modernen Herrn Karl wahrlich nicht bezeichnen. "Das ist ein Drecksack von der ersten Sekunde an. Trotzdem finden ihn manche anfangs noch sympathisch, weil er einen guten Schmäh hat", beschreibt Martin Puntigam seine Bühnenfigur. "Wenn man das, was man unter Neoliberalismus versteht, downsized auf Familie, dann schaut das so aus."
Ein gut destillierter Egoist also, ein Haben-Mensch, und sein Antriebsmotor ist die Gier. Sein Vater macht ihm ein verlockendes Angebot: Er bietet ihm sehr viel Geld, wenn er mit Frau und den zwei Kindern zu ihm aufs Land ins Elternhaus zurückzieht. Selbstverständlich wird das Angebot des Vaters angenommen.
Ins Elternhaus und damit von der Stadt aufs Land zurückzukehren, das sei zwar ähnlich uncool wie Mitte 30 mit dem Rauchen aufzuhören, aber nie mehr Miete zahlen zu müssen, immer einen Parkplatz vorm Haus zu haben und sich materiell abgesichert eine Auszeit zu gönnen, wer möchte das nicht?
Nach und nach lässt der nette Neoliberale die Maske fallen. Schamlosigkeit sei auch ein ganz wichtiges Thema unserer Zeit, meint Puntigam. Also lässt er seinen Anti-Helden, der in die Provinz, also an die Wurzeln zurückgekehrt ist, Jugendsünden beichten. Zum Beispiel wie er einst in der Disco Mädchen mit K.O.-Tropfen außer Gefecht gesetzt hat. Galt damals noch das Ausgreifen als das höchste der amourösen Ziele, protzt der glücklich verheiratete Familienvater nun mit seinem abwechslungsreichen und absolut zufrieden stellenden ehelichen Sexualleben. "Thirty and dirty! So ein Familienleben kostet genug, da geb' ich nicht noch extra Geld fürs Puff aus."
Viel zugemutet
Martin Puntigam, den ein Kritiker erst unlängst als den "härtesten Kabarettisten des Landes" bezeichnet hat, ist dafür bekannt, dass er seinem Publikum einiges an ganz gezielt eingesetzten Provokationen und Geschmacklosigkeiten zumutet. Für sein neues Solo "Luziprack" gilt daher absolutes Jugendverbot: "Die psychische Programmierung des homo sapiens hat sich in ein paar Tausend Jahren nicht wahnsinnig verändert. Angst, Gier, Hass, Hinterlist sind die Hauptantriebskräfte menschlichen Handelns, und werden es auch bleiben", meint Puntigam.
Das perfide an Puntigams Psychogramm ist, dass dieser fiese Typ, den er erschreckend realitätsnah darstellt, auch noch höchst gebildet ist. Er hat Wirtschaftsethnologie studiert, um die Welt, wie er meint, besser zu verstehen. Ein System - so seine Überzeugung - muss von innen her verändert werden, und als kleiner Denkanstoß kann manchmal auch ein kleiner, wohldosierter Gewaltakt nicht schaden. Nicht zufällig hat er seinen Sohn Varus genannt, in Anspielung auf seine Lieblingsschlacht, eben die Varusschlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr.
Vorbauen für die Katastrophe
"Hausbauen ist wie Bombenbasteln" philosophiert er. "Entweder du hast viel Geld, oder du machst viel selber." Ein Wellness-Bereich ist geplant, und - für den Katastrophenfall - ein Zivilschutzraum. Der Haus-Umbau habe einige Genehmigungen der Anrainer erfordert, so erfährt man. In Nachbars Garten soll ein Kran aufgestellt, und die Grundstücksgrenze ein wenig verlegt werden. Weil das dem Nachbarn verständlicherweise gar nicht recht war, wurde der daraufhin sachgemäß schikaniert und schließlich gefügig gemacht. "Was man nicht integrieren kann, muss man vernichten", doziert der über sein Opfer genüsslich triumphierende Täter am Ende von "Luziprack".
"Drei Programme lang hab ich mich am Typ des Verlierers abgearbeitet. Diesmal wollte ich jemanden zeigen, der nicht unterliegt und verzweifelt, der aber trotzdem nicht sympathisch ist. Das ist viel vergnüglicher zu spielen." Mit feiner Ironie aber auch mit derbem Humor zeichnet Martin Puntigam seine absolut sehenswerte Charakterstudie, die mehr Wahrheiten enthält über die Zeit und über die Gesellschaft, in der wir leben, als manchem lieb sein wird.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 11. Februar 2007, 22:05 Uhr
Veranstaltungs-Tipps
Martin Puntigam, "Luziprack", 1. bis 3. März 2007, Kabarett Niedermair,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (Vorverkaufspreis an der Abendkasse)
Martin Puntigam, "Luziprack", 6. und 7. März 2007, Theatercafe Graz
Links
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