Delugan Meissl bauen in Amsterdam

Eine Art Inszenierung

Ihren steilen Aufstieg verdanken die Architekten Delugan Meissl Associated Architects vor allem zwei Bauten, die Roman Delugan und Elke Meissl im Jahr 2005 dank spektakulärer Entwürfe gewannen: dem Porsche Museum Stuttgart und dem Filmmuseum Amsterdam.

Alle ein bis zwei Wochen steigt Dietmar Feistel, einer der fünf Partner im Team von Delugan Meissl Associated Architects, ins Flugzeug nach Schiphol, um ein, zwei Tage in der holländischen Hauptstadt zu verbringen. 2009 soll das Filmmuseum Amsterdam fertig sein, mit dem sich das Wiener Architekturbüro in der nicht gerade unbedeutenden niederländischen Architekturszene vorstellt.

Es ist keine Selbstverständlichkeit, sich als Außenseiter auf diesem Markt durchgesetzt zu haben, noch dazu mit einem Projekt, das zu der rationalen, kühlen niederländischen Architektur in schreiendem Kontrast tritt: ein asymmetrisches Gebäude mit zwei ausladenden Flügeln, ein emotionaler, individueller Bau. "Es ist ein völlig unholländisches Gebäude, das ziemlich auffällt. Es wird als Exot gesehen, allerdings auch sehr wohlwollend", so Dietmar Feistel.

Schwebender Kinosaal

Dieser Exote ist ein schnittiger und zugleich muskulöser Bau, der seinen massigen Körper spielerisch in die Luft stemmt, nicht weniger kraftvoll als das nur auf drei Punkten ruhende Porsche-Museum in Stuttgart. Beinahe 35 Meter wird der eine Flügel des Filmmuseums auskragen, der große Saal mit 300 Plätzen weit über dem Boden schweben. Die holländische Presse reagierte ausnahmslos positiv.

So auffällig wie das neue Filmmuseum ist sein Standort: direkt am IJ, dem Ausläufer des Ijsselmeers, der sich quer durch Amsterdam zieht. Das Nordufer war bis vor kurzem Firmengelände von Shell, ein riesiges Areal mitten in der Stadt, das jetzt für Wohnungen, Geschäfte, Büros und eben auch repräsentative Kulturbauten erschlossen wird. Auch räumlich allen voran das Filmmuseum, an einem Vorsprung des Nordufers, direkt gegenüber vom Zentralbahnhof, und von der Innenstadt alle fünf Minuten mit einer Fähre zu erreichen.

Architektur als Teil der Alltagskultur

Das Filmmuseum von Amsterdam ist nicht irgendeine Einrichtung, sondern das größte Filmmuseum Europas nach London und eine der wichtigen Institutionen im Kulturleben der Dreiviertelmillionenstadt. Der stimmungsvolle Art-Deko-Saal im alten Gebäude am Vondelpark soll im neuen Gebäude nachgebaut werden, insgesamt vier Säle mit unterschiedlichen Größen und Funktionen wird es geben, darunter ein völlig schwarzer Saal, ein Mehrzweckraum für Projekte mit Film, Tanz oder Musik, der festliche große Saal.

Der Bauherr, vertreten durch den Direktor des Filmmuseums, einen studierten Designer, schaut den Leuten aus Wien genau auf die Finger, aber auch die Öffentlichkeit und die Stadt begleiten Planung und Bau kritisch und aufmerksam. "Holland hat eine völlig andere Baukultur als Österreich oder auch als die Schweiz, das Bauen läuft dort auf eine sehr transparente Weise ab. Architektur ist wirklich Teil der Alltagskultur", erzählt Feistel. "Ein großer Unterschied zu Wien ist, dass die Stadt sich nicht nur auf die Einhaltung der Bauordnung und der Flächenwidmung konzentriert, sondern die Stadt ist eigentlich in sämtliche Planungsschritte involviert. Da ging's von erstem Tag um umfassende Planung, wie das Gebäude sich in der Stadt manifestieren soll."

Inszenierte Anreise

Trotzdem sind Pannen nicht ausgeblieben und das neue Filmmuseum muss in einem Punkt buchstäblich zurückstecken: Die Hafenbehörde verlangte, dass das Gebäude um 60 Meter hinter die Uferlinie zurückversetzt wird. Vor kurzem erst hatte ein großes Passagierschiff beim Reversieren eine Caféterrasse abgeräumt, zum Glück ohne Verletzte. Nach einigem Verhandeln einigte man sich auf 25 Meter Zurückversetzung, die für den Raum zwischen Museum und IJ aber nach einer neuen Lösung verlangt. Vorschlag der Architekten: eine Wasserfläche über einem Betonsockel, nur eine sehr seichte Wasserfläche mit wenigen Zentimetern; die einerseits die optischen Qualitäten des Wassers, das Spiegeln und die Brechung des Lichts ermöglicht, aber andererseits doch ein artifizielles Element ist.

Das Filmmuseum in Amsterdam steht an einer sehr markanten Stelle, eigentlich in einer Biegung des Flusses IJ. Durch die Distanz, die das Gebäude zur Stadt hat, kann man es schon von weitem erkennen. Das Gebäude ist am besten mit der Fähre erreichbar, die im 5-Minuten-Takt verkehrt, damit nähert man sich langsam und schrittweise an. Es ist eine Art Inszenierung, die praktisch schon auf der anderen Seite des Flusses beginnt, der ganze Weg ist schon Teil des Besuchs, Teil der Inszenierung.

Keine abgeschlossenen Bereiche

Dieser Gedanke der langsamen Übergänge setzt sich im Gebäude fort: "Es war uns sehr wichtig, diese ganz unterschiedlichen Funktionen, die wir in dem Gebäude vorfinden, so miteinander zu kombinieren, dass immer wieder räumliche und visuelle Verbindungen möglich sind, das heißt es gibt nie abgeschlossene Bereiche", so Feistel. "Wichtig war für uns, die unterschiedlichen Funktionen so miteinander zu verbinden, dass sie visuell und räumlich miteinander kommunizieren."

Es gibt folglich nie räumlich abgeschlossene Bereiche für die einzelnen Funktionen, es sind immer wieder Querverweise möglich, das ganze Gebäude ist sehr offen geplant, und die Übergänge zwischen den einzelnen Funktionen sind fließend. Die zentrale Halle, die Arena, ist gleichzeitig ein visueller Knotenpunkt, wo sich die ganzen Blicke und Wege treffen."

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Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 10. Jänner 2007, 17:05 Uhr

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