Die Bedeutung der verspielten Parallelwelten

"Counter Strike" und Co.

Computerspiele sind zur Realität geworden. Millionen von Kindern und Jugendliche sitzen täglich viele Stunden vor dem Bildschirm und spielen. Doch die Eltern und Lehrer haben oft nicht die geringste Ahnung, womit sich die Kinder beschäftigen.

Im November 2006 löste der Amoklauf eines 18-jährigen Realschülers im deutschen Emdsdetten heftige Diskussionen aus. Der junge Mann hatte fünf Menschen verletzt und sich dann selbst getötet. Den Polizeiprotokollen war zu entnehmen, dass er exzessiv das Online-Spiel "Counter Strike" gespielt hatte. Politiker und Pädagogen forderten ein gesetzliches Verbot dieses Spieles.

Für den Kommunikationsforscher und Spielpädagogen Jürgen Fritz von der Universität Köln gibt es jedoch keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und aggressiven Computerspielen. Er verweist auf die Fähigkeit des Spielers, eine virtuelle Welt von der realen zu unterscheiden. Einen Transfer der Verhaltensweisen zwischen den Welten kann er nicht feststellen.

Allerdings werden im Spiel Lernprozesse durchlaufen, die natürlich auch Auswirkungen auf das Verhalten in der realen Welt haben können.

Spieler: keine homogene Gruppe

Das Lernen im Computerspiel - und da sind sich Befürworter wie Gegner einig - ist darum so erfolgreich, weil Kinder und Jugendliche nicht nur beobachten, sondern aufgefordert sind, selbst Handlungen zu setzen. Doch Computerspieler sind keine homogene Gruppe. Ihre psychischen und sozialen Fähigkeiten sind abhängig vom Alter, vom sozialen Umfeld des Spielers oder der Spielerin, von ihrer Position in der Familie und ihrer Rolle in der Schule oder im Freundeskreis.

Interessant ist auch, dass laut einer deutschen Studie, die im Jahr 2005 durchgeführt wurde, Mädchen und Frauen weniger spielen als Burschen und Männer.

Gefangen in der virtuellen Welt

Computerspiele folgen grundsätzlich dem einfachen Regelsystem, eingebettet in eine fiktive Welt: gewinnen oder verlieren. Der Spieler folgt den Anweisungen diese Systems, denn nur so erhält er die größte Belohnung, wodurch er sich immer mehr mit seiner neuen Rolle identifiziert und sich darin profilieren möchte.

Onlinespiele wie etwa das Rollenspiel "World of Warcraft" werden in Clans oder Gilden gespielt, wobei diese virtuelle Gemeinschaft Regeln setzt, belohnt und bestraft und letztendlich den Spieler immer stärker an das Spiel bindet.

Spielerische Manipulation?

In Computerspielen werden aber auch Normen, Werte und Menschenbilder transportiert. So übernimmt der Spieler immer die Rolle eines zentralen Helden, der allmächtig ist. Ralf Streibl, Psychologe am Institut für Informatik an der Universität Bremen meint dazu, diese Heldenphantasien korrespondierten mit der realen Machtlosigkeit der Jugendlichen. Gewalt sei dabei die einzige Lösungsstrategie für Konflikte.

Schon längst sind daher bereits Altersbeschränkungen für Computerspiele eingeführt. In Österreich bietet die "Bundesstelle für Positivprädikatisierung für Computer und Konsolenspiele" (BuPP) den Eltern Orientierungshilfen an, welche Spiele pädagogisch wertvoll sind und welche nicht. Der freie Zugang zum Internet erlaubt aber auch Kindern den Zugang zu Gewaltspielen, die nicht ihrer Altersstufe entsprechen.

Das Zusammenspiel

Computerspiele sind zur Alltagswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen geworden. Viele Erziehungsberechtigte sind ratlos. Denn das Spiel verbieten heißt: die Kinder umso stärker in ihre Parallelwelt abzudrängen. Nur: dass die Kinder zusätzlich den Kick des Verbotenen erleben.

Der wichtigste und erste Schritt ist es, mit den Kindern und Jugendlichen über die Spiele zu sprechen. Auch die zeitliche Begrenzung der Spieldauer hilft den Kindern dabei, nicht in eine "Spielfalle" zu tappen. Denn Medienkompetenz will gelernt sein. Dies gilt auch für Computerspiele. Und im gemeinsamen Spiel entdecken Eltern und Kinder oft ungeahnte Qualitäten des anderen. Denn zusammen spielen macht einfach Freude.

Mehr zu früheren Ausgaben der Netzkultur in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 12. Februar bis Donnerstag, 15. Februar 2007, 9:30 Uhr

Buch-Tipp
Manfred Spitzer, "Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft", Deutscher Taschenbuchverlag, ISBN 9783423343275

Links
Wikipedia - Computerspiel
BuPP
Bundeszentrale für politische Bildung

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