Ein schwerer Fehler entscheidet
Wettlauf zum Südpol
Der Norweger Raoul Amundsen hatte einen Kindheitstraum: Er wollte den Nordpol erobern. Am 6. September 1909 steht jedoch der Amerikaner Robert Edwin Peary als erster Mensch am Nordpol. Amundsen schwenkt um: Der Südpol ist jetzt sein Ziel.
8. April 2017, 21:58
Raoul Amundsen ist die Tatsache, dass Robert Edwin Peary einfach nur dort gewesen ist, zu wenig. Der Nordpol muss wissenschaftlich erkundet werden, sagt er bei öffentlichen Auftritten. Amundsen hat aber kein Schiff, deshalb bittet er den berühmten Fridtjof Nansen ihm die "Fram" zu überlassen. Nansen, der selbst noch den Traum von der Eroberung des Südpols träumt, übergibt sie ihm - völlig arglos.
Der Nordpol, d. h. die zweitletzte Frage von allgemeiner Bedeutung auf dem Gebiete der Polarforschung war entdeckt. Wenn es mir also gelingen sollte, Interesse für mein Unternehmen zu wecken, blieb mir nichts anderes übrig, als zu versuchen, die letzte große Frage - die des Südpols - zu lösen. (Roald Amundsen, "Wettlauf zum Südpol")
Zum Süd- und nicht zum Nordpol
Amundsen hat alle belogen: Er will zum Südpol und nicht, wie angekündigt, zum Nordpol. Die Mannschaft erfährt das erst auf offenem Meer. Niemand ist von dieser Nachricht mehr geschockt als der Brite Robert Falcon Scott, der bereits auf dem Weg zum Südpol ist.
Scott ist siegessicher, er verlässt sich auf seine Erfahrungen, die er 1901 bis 1903 auf der Expedition mit dem Schiff "Discovery" gemeinsam mit Ernest Shackleton gemacht hatte und er ist von seiner Ausrüstung überzeugt. Er entscheidet sich für Ponys und Motorschlitten, da er Hunde für ungeeignet für die Polarregion hält.
Von den Eskimos gelernt
Amundsen ist Scott weit überlegen, er hat bei den Eskimos gelernt: wie man sich kleidet und wie wichtig es ist, Frischfleisch zu essen. Er hat sich eine spezielle Schutzhütte anfertigen lassen, und kleinere Erfindungen gemacht, um die Vorräte frisch zu halten, auch wenn er in seinem Expeditions-Bericht im "Wettlauf zum Südpol" zugibt:
Wir hatten vergessen - ich will es lieber gleich offen eingestehen - Schneeschaufeln mitzunehmen. (Roald Amundsen, "Wettlauf zum Südpol")
Folgenschwere Entscheidung
Scott hatte vor, drei Leute zum Südpol mitzunehmen, doch dann entscheidet er, noch jemanden mitzunehmen - eine folgenreiche Entscheidung. Dazu kommt, dass er ein Depot verschiebt, weil er dadurch ein krankes Pferd schonen kann. Am 14. Dezember 1911 steht Roald Amundsen mit vier Männern am Südpol.
Ich kann nicht sagen - obgleich ich weiß, daß es eine viel großartigere Wirkung hätte -, dass ich da vor dem Ziel meines Lebens stand. Dies wäre doch etwas zu sehr übertrieben. Ich will lieber aufrichtig sein und geradeheraus erklären, daß wohl noch nie ein Mensch in so völligem Gegensatz zu dem Ziel seines Lebens stand wie ich bei dieser Gelegenheit. Die Gegend um den Nordpol - ach, ja zum Kuckuch - der Nordpol selbst hatte es mir von Kindesbeinen angetan, und nun befand ich mich am Südpol! Kann man sich etwas Entgegengesetzeres denken? (Roald Amundsen, "Wettlauf zum Südpol")
Vier Wochen zu spät
Der Engländer Scott kommt mit seiner Mannschaft vier Wochen später ans Ziel.
Alle Träume sind ausgeträumt. Es wird eine beschwerliche Rückfahrt werden. Scott.
Es herrscht ein ungewöhnlich starker Sturm, den die Mannschaft nicht überlebt. Die britischen Polarforscher erfrieren, weil sie das kurzerhand verlegte Depot nicht mehr erreichen können.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 5. Februar, bis Donnerstag, 8. Februar 2007, 9:05 Uhr
Buch-Tipps
Rainer-K. Langner, "Duell im ewigen Eis. Scott und Amundsen oder Die Eroberung des Südpols", Fischer TB Verlag 2002, ISBN 9783596149087
Roald Amundsen, "Wettlauf zum Südpol. Die Norwegische Expedition 1910-1912", aus dem Norwegischen von Pauline Klaiber Ullstein TB 2001, ISBN 978-3548362908
Sir Ernest Shackleton, "Mit der Endurance ins ewige Eis. Meine Antarktisexpedition 1914-1917", Piper TB, ISBN 9783492248075
Beau Riffenburgh, "Nimrod. Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition 1907-1909", Berlin Verlag 2006, ISBN 9783827005304
Apsley Cherry-Garrard, "Die schlimmste Reise der Welt. Die Antarktis Expedition 1910-1913", Semele Verlag, ISBN 9783938869048