Ein Bank-General und seine ethischen Grundsätze
Gewinnstreben eine Frage der Moral?
Tausende Entlassungen, steigende Gewinne, und der Generaldirektor erhält einen Extra-Bonus zum Gehalt: Solche Fälle haben die Frage nach der Moral in der Wirtschaft zu einem Dauerthema werden lassen. Was sagt Erste-Bank-Chef Andreas Treichl dazu?
8. April 2017, 21:58
Andreas Treichl im Gespräch mit Michael Csoklich
Als vor kurzem die Konzernspitze von Siemens auf der Hauptversammlung von ihren Aktionären für den Schmiergeldskandal hart kritisiert wurde, ist gleichzeitig der Aktienkurs an der Börse um sechs Prozent geradezu explodiert, denn Siemens-Chef Klaus Kleinfeld hat schöne Gewinnzahlen vorgelegt. Ethik könne es für ein Unternehmen nicht geben, meinte auch jüngst Claus Raidl, Chef des Edelstahlherstellers Böhler-Uddeholm, im "Saldo"-Interview. Es könne sich höchstens ein Unternehmensleiter ethisch verhalten.
Wirtschaft und Moral - ein Dauerthema der letzten Wochen, Monate und Jahre, immer wieder angeheizt von Fällen, in denen Spitzenmanager - nach Meinung ihrer Kritiker - Millionen dafür verdienen, dass sie Leute auf die Straße setzen. Lassen sich moralische Grundsätze mit wirtschaftlichen Interessen vereinen? Michael Csoklich befragte dazu diesmal Erste-Bank-Chef Andreas Treichl.
Prinzip Stakeholder Value
Andreas Treichl gilt als einer der der erfolgreichsten Manager der letzten Jahre. Nach seiner Ansicht herrsche in Zeiten der Globalisierung und des Shareholder Value nicht mehr und nicht weniger gesellschaftliche Verantwortung als auch zu früheren Zeiten. Kündigungen von vornherein als unmoralisch anzusehen, werde der Sache nicht gerecht. Denn ein Manager entlasse Leute nicht aus Spaß, sondern nur dann, wenn es für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nötig ist. Aber - so räumt er ein - es seien oft auch Managementfehler, die die Mitarbeiter den Job kosten.
Für den Erste-Bank-Generaldirektor gilt das Prinzip des Stakeholder Value. Stakeholder sind alle, die an ein Unternehmen Ansprüche stellen. Im wesentlichen sind das drei Gruppen: Die Aktionäre, die Mitarbeiter und die Kunden. Gutes Management bestehe darin, alle diese Gruppen zufrieden zu stellen, unterstreicht er.
Moral und Gewinn keine Gegensätze
Aber ist das Shareholder-Value nicht schon zu einer regelrechten Doktrin geworden, also ausschließlich auf den Gewinn und den steigenden Wert des Unternehmens zu sehen - im Interesse der Anteilseigner?
"Stimmt", gibt Treichl zu, "aber an der Börse gilt eben der kurzfristige Erfolg. Gleichzeitig muss das Management aber auch an den langfristigen Erfolg eines Unternehmens denken, auch wenn das dem einen oder dem anderen Investor keine Freude macht. Der langfristige Erfolg hängt untrennbar mit der Motivation der Mitarbeiter zusammen."
Moral und Gewinn sind für ihn keine Gegensätze. Eine bewusste, dumpfe und perfide Vereinfachung nennt er die Unterstellung, dass Gewinn und wirtschaftlicher Erfolg nur dann eintreten, wenn Manager unmoralisch handeln, wenn also etwa behauptet wird, dass Gewinn und Erfolg auf Entlassungen beruhen.
Seine Grundsätze
Moral und ethisches Verhalten müsse die Basis für wirtschaftlichen Erfolg sein. Man sollte die Moral und das ethische Verhalten von Managern oder Firmeneigentümern nicht an der Höhe des Gewinnes messen, sondern daran, wie dieser Gewinn zustande gekommen sei, betont Andreas Treichl. Es könne ein Verlust auf höchst unmoralische Weise entstehen und ein Gewinn auf höchst moralische Art und Weise:
"Der Markt ist ein gutes Regulativ für gerechtfertigte oder ungerechtfertigte Preise. Ungerechtfertigte Preise sind zweifellos unmoralisch. Es werden Einkommen mit großen Unterschieden immer als ungerecht empfunden werden. Daran wird niemand etwas ändern können. Wenn man alles dem Gewinn unterordnet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich unmoralisch verhält, wesentlich größer, als wenn man es nicht tut. Es ist nicht unmoralisch, viel Geld zu haben, aber mit Geld kann man unmoralische Dinge tun."
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Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 2. Februar 2007, 9:45 Uhr
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