Stadionbau nur Deckmantel für wirtschaftlichen Profit?
Megaprojekt Rothneusiedl
Im Süden Wiens könnte die zuletzt marode Wiener Austria ein neues Stadion bekommen. Aber bei dem Magna-Großprojekt geht es nicht nur um eine Fußballarena. Auch Pläne für ein Einkaufszentrum und ähnliches machen eine bisherige Randlage plötzlich profitabel.
8. April 2017, 21:58
Er werde den Fußballverein in das europäische Spitzenfeld bringen, verkündete Frank Stronach zu Beginn seines Engagements beim österreichischen Traditionsklub Austria Wien. In nur wenigen Jahren mit Chelsea und Real Madrid in einer Liga zu spielen - das ist sein Ziel.
Doch die Liebe Frank Stronachs zu "Kugeln" will und will nicht erwidert werden. Das kleine, runde Leder erweist sich als genauso widerspenstig, wie der mehr als hundert Meter hohe Magna-Globe im niederösterreichischen Ebreichsdorf.
Die Grundidee des Projekts in Rothneusiedl
Der Bau einer neuen Spielstätte war Teil des fußballerischen Europatraums von Frank Stronach. Das Horr-Stadion, in dem die Wiener Austria derzeit kickt, ist zu klein, ungünstig gelegen und bietet zu wenig Parkplätze. Kurz: Es ist für einen europäischen Spitzenverein nicht angemessen.
Abgesehen von der Tatsache, dass die Violetten derzeit als Schlusslicht der heimischen Bundesliga alles andere als Champions-League-reif agieren: Ein "ordentliches Stadion zieht mehr zahlende Zuschauer an. Und wenn erst wieder mehr Geld in der Vereinskasse liegt, kann auch wieder besser Fußball gespielt werden. Doch der Bau einer modernen Fußballarena kostet. Daher wird bei der Gelegenheit ein Gewinn bringendes Einkaufszentrum angeschlossen, damit sich die Geschichte rechnet.
Auch wenn sich die Violetten statt mit den begehrten goldenen Tellern der europäischen Champions League derzeit nur mit der roten Laterne der österreichischen Bundesliga schmücken dürfen, der Traum von einer modernen Fußballarena ist noch lange nicht ausgeträumt.
Im Visier der Stadtplanung
Auch dem Präsidenten des Vereinskuratoriums gefiel die Idee. Im Hauptberuf Bürgermeister der Stadt Wien, suchte Michael Häupl einen möglichen Standort und fand ihn in Rothneusiedl. Im äußersten Süden Wiens gelegen, befindet sich ein Gelände, das ohnedies seit vielen Jahren im Visier der Stadtplanung ist.
In diesem Gebiet ist ein Logistikzentrum der Österreichischen Bundesbahn geplant. Die kürzlich fertig gestellte Schnellstraße S1 und die in weiterer Zukunft geplante Verlängerung der U-Bahnlinie U1 machen das Gelände zu einem interessanten Entwicklungsgebiet. Ein neuer Stadtteil könnte dort entstehen - mit tausenden Wohnungen, vielen Betrieben und Arbeitsplätzen. Für eine moderne Fußballarena ist da noch Platz. Für ein Einkaufszentrum auch. So die Überlegungen des Bürgermeisters der Stadt Wien.
Wiener Einkaufsstraßen unter Druck
Kritiker des Projekts befürchten allerdings, dass Frank Stronach einmal mehr versucht, mit einem Lockvogel die Politiker in Bewegung zu bringen, um letzten Endes günstige Grundstücke inklusive Infrastruktur und einen saftigen Widmungsgewinn herauszuschlagen. Gegen das neue Stadion selbst gibt es kaum Einwände, wohl aber missfällt manchen der Standort Rothneusiedl. Insbesondere das geplante Einkaufszentrum des Magna-Konzerns sorgt dabei für Unmut.
Das mit mindestens 60.000 Quadratmeter Verkaufsfläche geplante Shoppingcenter soll nämlich nur wenige Kilometer von der Shopping City Süd entfernt entstehen. Fachleute befürchten, dass es den Kaufkraftabfluss aus den Wiener Einkaufsstraßen weiter verstärken wird. Insbesondere kleinere Einkaufsstraßen in zweiter und dritter Lage und die innerstädtische Nahversorgung würden einmal mehr leiden müssen. Die Wege zum Einkaufen werden länger, Menschen ohne Auto zählen zu den Verlierern.
Der Wiener Speckgürtel gedeiht prächtig
Die neue S1-Schnellstraße, ursprünglich als Entlastung für die Südost-Tangente gedacht, zeigt bereits jetzt langsam ihr zweites Gesicht. Die Wiener Umlandgemeinden freuen sich über Betriebsansiedlungen, neue Arbeitsplätze und aufgefettete Gemeindekassen. Die Zahl der Pendler aus dem Norden und Osten Wiens steigt und mit ihr das Verkehrsaufkommen, vor allem beim Autoverkehr.
Ein besonderes Match wird dabei seit Jahrzehnten zwischen den Gebietskörperschaften ausgetragen. In den 1970er Jahren entstand in der Gemeinde Vösendorf die Shopping City Süd. 90 Prozent ihrer Kunden kommen mit dem Auto. Nicht zuletzt deshalb, weil die Stadt Wien gar nicht interessiert ist, auf eigene Kosten den Öffentlichen Verkehr dorthin auszubauen, um nicht noch mehr Kunden und Steuereinnahmen an Niederösterreich zu verlieren. Großzügige Gewerbegebiete inner- und außerhalb der Stadtgrenze werden gewidmet und schaukeln die Dynamik in die Höhe.
Über Details herrscht Stillschweigen
Während die Gegner des Großprojekts Rothneusiedl Negativa wie die Bedrohung der Nahversorgung und vor allem die Folgekosten bezüglich Infrastruktur und Verkehrsanbindung aufzählen, scheint die wichtigste Regel bei der Planung des neuen Vorhabens jene zu sein, möglichst spät die Karten auf den Tisch zu legen. Frank Stronach und Michael Häupl sind sich jedenfalls darüber einig, keine detaillierten Auskünfte über ihr Vorhaben in Rothneusiedl zu geben.
Der jüngste Coup aus Vösendorf: dort soll zur Überraschung sämtlicher Nachbargemeinden bereits im Herbst mit dem Bau des höchsten Gebäude Niederösterreichs begonnen werden. Ein 160 Meter hohes Bürogebäude mit 1500 Arbeitsplätzen soll es sein. Ein Verkehrskonzept liegt vorerst noch nicht vor.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Montag, 22. Jänner 2007, 18:25 Uhr
Link
wien.at - Zielgebiet Rothneusiedl