Die meisten Bethäuser der Welt
Nicht nur Rastafari
Zu Gott haben die Jamaikaner ein ausgesprochen gutes Verhältnis: 92 Prozent bezeichnen sich als gläubig, und das "Guinness Buch der Rekorde" bescheinigt Jamaika die weltweit größte Dichte an Kirchen und Gebetshäusern pro Quadratkilometer.
8. April 2017, 21:58
Das Rückgrat der jamaikanischen Gemeinschaft ist die Religion. Das kann man aus einer großen Zahl von Selbstdarstellungen, Online-Zeitungen und Diskussionsforen herauslesen. Und weil es eine beachtliche Vielfalt an Religionsgemeinschaften gibt, wird religiöse Toleranz groß geschrieben. Fanatismus und Fundamentalismus stoßen auf Unverständnis, und Themen wie die ominösen Mohammed-Karikaturen oder die Entscheidung, den Berliner "Idomeneo" mit seinen Religionsgründerköpfen aus dem Spielplan zu nehmen, werden nicht nur in Leitartikeln, sondern auch in der jamaikanischen Internet-Gemeinde heftig diskutiert.
Geprägt vom Christentum
Die religiöse Landschaft Jamaikas ist vom Christentum geprägt und vom Geisterglauben durchdrungen. Die Bibel ist für 80 Prozent aller Jamaikaner das wichtigste Buch, zumindest in religiöser Hinsicht: Sie gehören zur Christlichen Glaubensgemeinschaft - oder sind es doch nur 65 Prozent, wie die CIA in ihren jüngsten Zahlen behauptet? Fakt ist, dass die Katholiken eine sehr kleine Gruppe bilden, zwischen vier und acht Prozent.
Aber die größte Gruppe? Die Jamaikaner selbst nennen die Anglican Church of Jamaica mit 43 Prozent, während die CIA wiederum die Church of God mit gut 21 Prozent anführt. Der Rest: Adventisten, Baptisten, Pfingstler, Unitaristen, Zeugen Jehovas, mährische Brüder und noch kleinere Splittergruppen. Und sie alle begehen den Sonntag mit Inbrunst, chanten und beten und jubilieren gemeinsam, denn ein gewisser sozialer Zwang geht mit religiösem Pflichtbewusstsein durchaus Hand in Hand.
Verschiedenste Kulte
Und die anderen? "Guia del Mundo", das Handbuch, das die Welt aus der Sicht der "Dritten Welt" beschreibt, führt als dritte Hauptreligion mit fünf Prozent Anteil die Rastafari an - immerhin die medienwirksamste religiöse Gruppe, nicht zuletzt auf Grund ihrer Musik, denn Reggae ist pur oder in einer weiter entwickelten Form immer in irgendeiner Hitparade zu finden -, während das "CIA World Fact Book" die anderen als "some spiritual cult" bezeichnet.
Die Jamaikaner selbst nennen verschiedenste Kulte, die alle möglichen Glaubensrichtungen in sich vereinen: ein wenig Quasi-Christliches und eine Menge westafrikanischer Animismus zeichnet Pukkumina oder Pocomania aus, die Verehrung der Ahnen, der Kumina-Kult spielt vor allem im östlichsten Landkreis St. Thomas eine wichtige Rolle.
Religiös durchdrungene Literatur
Bei so viel Religion als Grundlage bleibt natürlich nicht aus, dass sich Religion in irgendeiner Art auch in der Literatur widerspiegelt. Bei Olive Senior zum Beispiel, die mit feiner Klinge und spitzer Feder die Bigotten und die Heuchler aufs Korn nimmt. Oder bei Lorna Goodison, die sich mit den unterschiedlichsten Aspekten weiblichen Lebens auf Jamaika auseinandersetzt. Und ein Rasta und seine religiösen Überzeugungen stehen im Mittelpunkt des aus Jazz und Blues geborenen Romans "Bruder Mensch" von dem zu Unrecht vergessenen Roger Mais.
Buch-Tipps
Koyo Kuoh, Holger Ehling (Hrsg.), "Töchter Afrikas", Marino Verlag 1994, ISBN 3927527645, bzw. Piper TB 1998, ISBN 3492221971
Olive Senior, "Das Erscheinen der Schlangenfrau", Unionsverlag 1998, ISBN 3293201156 (vergriffen)
Lorna Goodison, "Der Schwertkönig", Unionsverlag 1994, ISBN 3293200516
Roger Mais, "Bruder Mensch", Unionsverlag 1981, ISBN 3293000266 (vergriffen)
Links
all-jamaica.com - Religion
Jamaicans.com - Jamaica and Religion