Boccherini-Quintett im Interpretationsvergleich
Streichquintett à la Boccherini
Streichquintett kann auch bedeuten: Violine I und II, Viola, Violoncello I und II. Also nicht die seit Mozart häufig anzutreffende Bratschenverdoppelung. Luigi Boccherinis berühmtestes Streichquintett ist zum Inbegriff von Rokoko-Eleganz geworden.
8. April 2017, 21:58
Stern, The Vanbrugh Quartet, Bobby Mc Ferrin
Luigi Boccherini hat mehr als hundert Quintette für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli geschrieben. Warum diese Besetzung? Musiziergewohnheiten geben eine Erklärung: In Madrid, wo er die längste Zeit seines Lebens verbracht hat, musizierte Boccherini gemeinsam mit dem Streichquartett der Familie Font, das sich aus dem Vater und seinen drei Söhnen zusammensetzte.
Boccherini, ein Ausnahmecellist, hat sich dann als Erster Cellist zu diesem Ensemble dazugesellt. Es kommt nicht von ungefähr, dass sein berühmtestes Stück in dieser Besetzung zum Inbegriff von Eleganz und Anmut der Rokokozeit geworden ist, ja zum Inbegriff des Menuetts überhaupt.
Gefühl für zarte Klangfarben
Boccherini hatte ein unvergleichliches Gefühl für das "obligate Accompagnement" einer Melodie, bei dem alle Stimmen dezent aber fein immer präsent sind, und er hatte ein unglaubliches Klangfarbenbewusstsein, ein Gefühl für zarte Klangfarben: dolce, amoroso, aber nicht zückersüß.
In unserem Audio als erste im berühmten Minuetto con un poco di moto aus Luigi Boccherins Quintett für 2 Violinen, Viola und 2 Celli in E-Dur, op.13 Nr. 5 zu hören: Isaac Stern und Cho-Liang Lin, Jaime Laredo, Yo-Yo Ma und Sharon Robinson.
Beliebt als Stummfilm-Begleitmusik
Das Menuett hat regelmäßig als Begleitmusik für Stummfilme gedient, sowohl für seriöse Ballszenen, aber auch Komödien, in denen die Dekadenz der höheren Kreise auf den Arm genommen wurde.
Ganz ähnliche Verfahren greifen dann in der Fernsehwerbung und beim Film. Berühmtestes Beispiel: "The Ladykillers", ein Film aus dem Jahr 1955. Eine schwarze Komödie, in der Alec Guiness der Star ist und in der sich eine Ganovengruppe als Streichquartett verkleidet. Das irische Vanbrugh Quartet spielt flotter im Tempo als die amerikanischen Kollegen, mit viel innerem Drive und spritzigem Charme.
Das Musikalische Umfeld
Und was ist um dieses berühmte Menuett herum? Wie sieht das musikalische Umfeld aus? Boccherini schreibt das E-Dur Quintett im Jahre 1771. Anstelle des sonst üblichen Sonatenallegros setzt er als ersten Satz ein "Amoroso" in mäßigem Tempo, sehr verhalten und sinnlich.
Natürlich muss der zweite Satz dazu einen Kontrast setzen. Und er präsentiert sich in seiner Lebhaftigkeit so, wie wir uns eigentlich den ersten, den Kopfsatz erwartet hätten: allegro e con spirito.
Subtile Art der Phrasierung
Die Harmonik ist nicht das, was interessant ist an Boccherinis Quintetten, das harmonische Gefüge ist schlicht, da passiert wenig. Viel passiert hingegen im Dialogverhalten der Instrumente und in der subtilen Art der Phrasierungen.
Da gibt es eine große Palette an gemeinsam oder getrennt eingesetztem staccato und legato, wiederholten Tönen und Synkopen, brillanten Läufen und lyrischen Melodien.
Menuett mit Überraschungen
Zur unvergesslichen Geigenmelodie des Menuetts, während Bratsche und die zwei Celli zupfen, steuert die zweite Geige einen geschmeidig schimmernden Hintergrund bei. Überraschung: andere Tonart. Nicht E-Dur, sondern vierte Stufe, Subdominante: A-Dur.
Die zweite Überraschung des dritten und letzten Teil unseres Audio-Files ist allerdings nicht von Boccherini: In die charmante Satzstruktur in Streichorchester-Vervielfachung mischt sich Bobby McFerrin ein.
Hör-Tipp
Ausgewählt, jeden Mittwoch, 10:05 Uhr
CD-Tipps
Luigi Boccherini, Franz Schubert, Streichquintette, Isaac Stern, Cho-Liang Lin, Jaime Laredo, Yo-Yo Ma, Sharon Robinson, Sony LC 6868, ASIN B000025XHD
Luigi Boccherini, Streichquintette, The Vanbrugh Quartet, Richard Lester, Hyperion, ASIN B00005UO87
Bobby McFerrin, "Paper Music", Scl (Sony BMG), ASIN B000026BOM
Links
Wikipedia - Luigi Boccherini
Bobby McFerrin
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- Interpretationen