Im Land des "großen" und des "geliebten" Führers

Best of Kims

Trotz des internationalen Streits um sein Atomprogramm setzt Nordkorea seit einigen Jahren zaghaft auf Tourismus, um an Devisen zu kommen. Die Touristen stehen allerdings unter permanenter Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Reiseleiter.

Im Kinderpalast von Pjöngjang

"Sie können alles fotografieren. Nur nicht Soldaten und Leute, die arbeiten!" - So einer der beiden nordkoreanischen Reiseleiter, der eine kleine deutsch-österreichische Touristengruppe auf dem Bahnhof von Pjöngjang empfängt. Blickt man sich um, gibt es dabei allerdings ein Problem: Ringsum sind fast nur Soldaten und Leute, die arbeiten, zu sehen.

Andererseits sticht eines sofort ins Auge: Tausende Plakate und Statuen des "großen Führers und ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung und seines derzeit herrschenden Sohnes Kim Jong Il, der allseits ehrfurchtsvoll als "geliebter Führer“ bezeichnet wird.

Grau in graues Stadtbild

Das Stadtbild dominieren marode Wohnblöcke, riesige Hochhäuser, vergleichbar mit den Plattenbauten in der DDR, auseinander fallende Linienbusse und Straßenbahnen sowie eine U-Bahn mit Waggons, die in den 1990er Jahren von Berlin gekauft worden sind.

Die zahlreichen Menschen auf den Straßen sind zu Fuß unterwegs, weil sie kein Auto oder Fahrrad besitzen. Autos sind überhaupt Mangelware, ebenso intakte Fabriken. Aber Arbeitslosigkeit soll es nach Angaben von Machthaber Kim Jong Il nicht geben. Und für den durchs Land gelotsten Touristen sind die von westlichen Medien immer wieder berichteten Hungersnöte in Nordkorea auch nicht zu erkennen. Kein Wunder! Denn Touristen werden in Nordkorea rund um die Uhr von Reiseführern begleitet. Spaziergänge sind alleine fast unmöglich zu absolvieren.

Militär hat erste Priorität

Von den rund 23 Millionen Menschen in Nordkorea sollen 1,2 Millionen der Armee dienen, weitere vier Millionen sollen Mitglieder in Arbeiter-, Bauern- und Studentenmilizen sein. Kein anderer Staat der Welt hat eine so große Zahl von bewaffneten Bürgern. Begründet wird dieser "Schutz“ mit der vermeintlichen Gefahr einer Invasion durch ausländische Mächte, insbesondere durch Amerikaner, die - so wird den Bürgern suggeriert - jederzeit angreifen könnten.

Überhaupt sind die Amerikaner an sehr vielem schuld - auch an dem Mangel an Energie. Denn sie würden dem Land die dringend notwendigen Atomkraftwerke verweigern, erklärt einer der beiden Reiseleiter als Rechtfertigung für ein eigenes Nuklearwaffendepot. Bei einem Besuch an der Demarkationslinie zu Südkorea in der Nähe der Stadt Kaesong weist ein nordkoreanischer Offizier darauf hin, dass in Südkorea immer noch 30.000 US-Soldaten stationiert seien: "Schon seit langer Zeit macht Nordkorea Vorschläge, wie man das Land vereinigen kann. Denn für uns ist die Hauptsache: Die Nation ist vereint.“ Die Wiedervereinigung scheitere nur an der Gegenseite. Die Südkoreaner sagen grundsätzlich das Gleiche.

Grenzenlose Bewunderung

Vom Alltag der Nordkoreaner bekommt man als Tourist relativ wenig mit. Man muss sich auf das verlassen, was die Reiseleiter erzählen. Und die glorifizieren wie auch die übrige Bevölkerung ihren "geliebten“, vor allem aber ihren "ewigen Führer“, denn die Reiseziele sind deren Errungenschaften angepasst: sei es nun das als heilige Stätte verehrte Mansu-Großmonument mit einer 20 Meter großen Bronzestatue von Kim Il Sung oder der im Jahr 1982 fertig gestellte Triumphbogen in Gedenken an den Sieg über die japanischen Besatzer im Jahr 1945.

Auch das "Museum für den siegreichen vaterländischen Befreiungskrieg“ erinnert mit Bildern, Schautafeln und ausgestellten Panzern an den Korea-Krieg von 1950 bis 1953. Ganze Kriegsszenen sind dort ausgestellt. Der Besucher erfährt unter anderem auch, wie heldenhaft die Menschen damals allein mit den Schultern eine Brücke gehalten haben, damit die Lastwagen drüber fahren konnten. Aber auch im TV werden täglich Spielfilme und Dokumentationen über die Heldentaten des Generals Kim Il Sung im Kampf gegen die amerikanischen und südkoreanischen Truppen gezeigt.

Absurditäten

Die Gesichter der Nordkoreaner scheinen dennoch oft leer und freudlos. Lächelnde Mienen entdeckt man selten. Die Ehrfurcht vor dem ehemaligen und jetzigen Machthaber scheint bei den Einwohnern allerdings grenzenlos zu sein. Da wird schon einmal ein Sessel auf ein Podest gestellt und mit roten Schleifen von der Öffentlichkeit abgeschirmt - nur weil einmal der große Führer darin gesessen hat. Auch Postmitarbeiter müssen peinlich genau darauf achten, dass beim Abstempeln einer Kim-Il-Sung-Briefmarke nicht das Gesicht des ehemaligen Herrschers vom Stempel getroffen wird.

Ein Tourist in Nordkorea ist gut beraten, sich mit der Verehrung für die beiden Kims zu arrangieren. Wie wir es gewohnt sind, einfach unsere Meinung zu sagen und über Politiker auch mal Witze zu machen, könnte peinliche Situationen heraufbeschwören, aber auch großen Ärger bedeuten. So soll ein westlicher Besucher gedankenlos seine Zigarette auf einer Zeitschrift mit einem Bild von Kim Il Sung ausgedrückt haben. Das Zimmermädchen informierte sogleich die Polizei. Die Folge war: ein Verhör und die sofortige Ausweisung.

Ausflug ins "Paradiesdorf"

Die Versorgung der Nordkoreaner mit Lebensmitteln läuft über Bezugsscheine. Jeder Bürger bekommt täglich 700 Gramm Reis, monatlich sind das 21 Kilogramm. Wenn die Ernte schlecht ausfällt, wird der Reis teilweise durch Mais ersetzt. Das könne schon vorkommen, meint einer der beiden Reiseleiter, sei aber nicht so schlimm, denn der Staat importiere dann Reis aus China, Thailand oder Indien und versorge die Bewohner.

Den Beweis, wie hervorragend die Landwirtschaft funktioniert, sollte ein Besuch in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft erbringen. Auf den Weg dorthin sind viele Menschen auf den Feldern zu sehen, die von Hand sähen und ernten, weil Maschinen fehlen. An jedem Feld stehen Hochsitze, in denen Bewacher sitzen, damit nichts gestohlen wird. Im Gegensatz zu der Stadtbevölkerung dürften die Menschen hier ein kleines Stück Land für sich selbst bewirtschaften, sagt einer der Reiseleiter. Dies sei nur einer von vielen solcher vorbildlichen Genossenschaften, betont er. Die Leiterin der Genossenschaft aber gibt indirekt zu, dass dieser Betrieb eine Ausnahme ist: "Unser Präsident Kim Il Sung hat beim Besuch des Bauerndorfs immer gesagt: Wir müssen für das Volk solche Dörfer mit Reisfeldern und Bäumen bauen. Das ist ein Paradiesdorf in unserem Lande. Ja, wir nennen so ein Dorf: Paradiesdorf.“

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 9. Jänner 2007, 18:25 Uhr

Link
Wikipedia - Nordkorea