Stellen Wahlausgänge neue EU-Weichen?

Frankreichs Wahljahr und die EU-Thematik

Nicolas Sarkozy gegen Ségolène Royal lautet voraussichtlich das Duell um das französische Präsidentenamt Anfang Mai. Auch ein neues Parlament soll heuer gewählt werden. Wie werden sich die Urnengänge auf die französische EU-Politik auswirken?

Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy zum Türkei-Beitritt

Gleich zwei Wahlen stehen im heurigen Jahr in Fankreich an: die Parlamentswahlen im Juni und die Wahlen für das höchste Amt im Staate, die bereits Anfang Mai über die Bühne gehen. Bei letzteren läuft nach jüngsten Meinungsumfragen alles auf ein politisches Duell zwischen der Sozialistin Ségolène Royal und dem derzeitigen konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy hin. Vom Ausgang beider Urnengänge wird es auch abhängen, welche Möglichkeiten sich in Europa hinsichtlich EU-Verfassungsvertrag und EU-Beitritt der Türkei ergeben werden.

Das Duell und ein Störfaktor

"Ségolène Presidente" - mit diesen Sprechchören wird der neue Star der Parti Socialiste, Ségolène Royal, derzeit bei allen Auftritten begleitet, seit sie sich Mitte November als Kandidatin parteiintern deutlich durchgesetzt hat. Sie trägt die Hoffnung der Linken für die Präsidentschafswahlen im April.

Auf der Rechten geht für die konservative UMP, Innenminister und Parteivorsitzender Nicolas Sarkozy ins Rennen. Letzte Umfragen diese Woche sehen Ségolène Royal in einer Stichwahl mit 52 zu 48 Prozent knapp vorne. Andere Kandidaten gelten als chancenlos. Nur der Rechtspopulist Jean-Marie Le Pen könnte wieder ein Störfaktor sein. Meinungsforscher sehen in ihm aber mehr den Wolf im Schafspelz, obwohl er in den Umfragen bessere Werte als vor der Wahl 2002 hat.

Die übrigen Kandidaten

Insgesamt gibt es für die Präsidentenwahl rund 40 Bewerber. Sie müssen zum Teil aber erst die notwendigen Unterschriften erbringen. Die vielen kleinen Parteien der extremen Linken, wie etwa Kommunisten und Trotzkisten, haben zwar beim Nein zur EU-Verfassung den Ton angegeben. Jetzt schaden ihnen aber mehr interne Streitereien beim Versuch einen gemeinsamen Kandidaten zu finden.

Ähnlich zerstritten sind in Frankreich die Grünen, die bislang relativ bedeutungslos blieben. Kaum Chancen geben die Meinungsforscher auch dem Zentristen Francois Bayrou, der sowohl im linken als auch im rechten Wählerteich fischen will.

Kein Bezug zu Europa?

Was die Kandidaten betrifft, so scheint die Ausgangslage für die Präsidentenwahlen bereits halbwegs klar. Ganz anders verhält es sich mit der Haltung der beiden Spitzenkandidaten Royal und Sarkozy zu Europa. So formulierte ein Kommentator in der Straßburger Zeitung "Dernières Nouvelles d'Alsace“:

Nichts lässt darauf schließen, dass Frankreich nach den Präsidentenwahlen noch eine Außen- und Europapolitik haben wird. Die beiden Hauptbewerber verhalten sich so, als sei Frankreich eine kleine Insel, die, in ihren Existenznöten gefangen, irgendwo verloren im Meer läge. Wenn Ségolène Royal oder Nicolas Sarkozy ins Ausland reisen, dann eher, um aus wahltaktischen Gründen eine internationale Dimension zu gewinnen.

Die beiden Favoriten zur Türkeifrage

Nicht wirklich festlegen wollte sich Ségolène Royal bisher in der Türkeifrage. Sie vertrete die Meinung, die das Volk habe, ließ sie bislang dazu wissen: "Es ist vorgesehen, dass das Volk über einen möglichen Beitritt der Türkei abstimmt“, so Royal.

Klarer wurde Nicolas Sarkozy: Er liegt mit seinem "Nein“ zu einem Türkeibeitritt klar auf der Linie vieler konservativer Parteien der EU: "Wie kann man über den Beitritt eines Landes diskutieren, das einseitig entscheidet, dass die EU nicht aus 25, sondern aus 24 Staaten besteht? Das ist nicht verhandelbar und inakzeptabel."

Mini-Vertrag zur EU-Verfassung?

Für die EU entscheidend ist auch die Frage, wie es in Frankreich mit der EU-Verfassung weitergeht. Sowohl Sarkozy als auch Royal können sich vorstellen, eine Art Mini-Vertrag anzunehmen. Änderungen seien aber notwendig. Ségolène Royal dazu: "Man muss auf jeden Fall die Regeln, wie Europa funktioniert, neu definieren. Diese Regeln werden leichter in einer französischen Volksabstimmung angenommen werden, wenn sich Europa vorher bewiesen hat.“

Sarkozy schlägt vor, dass das französische Parlament die beiden Teile über die Grundrechte und die institutionellen Reformen der entworfenen EU-Verfassung genehmigt. Auf diese Weise solle die EU aus der Sackgasse geführt werden, in die sie Frankreich durch sein Nein bei der Volksabstimmung gebracht hat.

Parlamentswahlen entscheidend

Für den Politologen Henri Ménudier von der Pariser Universität Sorbonne ist der Ausgang der Präsidentenwahlen noch nicht entscheidend. Ausschlaggebend werden nach seinen Worten die Parlamentswahlen im Juni sein. Hier werde sich entscheiden, ob das künftige Staatsoberhaupt auf eine Mehrheit aus den eigenen Reihen zählen kann, oder ob es eine so genannte Cohabitation gibt, also ein Zusammenspiel eines Präsidenten und eines Premierministers unterschiedlicher Couleurs.

Dieses Zusammenspiel hat in früheren Fällen eher zu einem Patt geführt - eine Cohabitation die auch einen Stillstand für Europa bedeuten könnte. Ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin mit einer Mehrheit im Parlament kann Europa aber auch frischen Wind bringen. Das französische Superwahljahr 2007 wird für die EU somit zur Zitterpartie.

Link
Wikipedia - Portal Frankreich