Placido Domingo - von Wagner bis zur Zarzuela
Weit weg vom Ruhestand
Neugierig auch nach seinem 65. Geburtstag: Placido Domingo findet immer noch Tenor-Partien, die er noch nie gesungen hat; so ist er vor kurzem für Puccinis frühen "Edgar" ins Studio gegangen. Sein Auftrittsrepertoire 2006 reichte von Wagner bis zur Zarzuela.
8. April 2017, 21:58
Als den "vielseitigsten Sänger aller Zeiten" bezeichnete ihn unlängst der Chefredakteur des britischen "Gramophone"-Magazins. Und die Musikjournalistin Manuela Hoelterhoff setzte nach: "Ich kenne keinen anderen Sänger mit seiner Bandbreite, seiner Intelligenz, seiner Fähigkeit, auf die Bühne zu gehen und voll da zu sein - Jahrzehnt um Jahrzehnt, ohne dass es wirklich bergab ginge."
Der "Over-Achiever"
Hinter Placido Domingo liegt ein Jahr, in dem er von Tokio bis Madrid aufgetreten ist, mit einem Repertoire von Wagner bis zur Zarzuela, ein Jahr, in dem er das wieder zum Opernhaus gewordene Theater an der Wien dirigierend eingeweiht hat und die Segerstrom Concert Hall in Costa Mesa singend, mit einem von William Bolcom für ihn komponierten Orchesterliederzyklus nach Lorca-Gedichten, ein Jahr, in dem in einer CD-Veröffentlichung nachgeholt wurde, was auf der Opernbühne doch nicht hat sein sollen: Placido Domingos Tristan.
Dass Domingo "nebenbei" als - in beiden Städten sehr präsenter - künstlerischer Leiter der Los Angeles Opera und der Washington National Opera tätig war und in Valencia auch wieder "seinen" Operalia-Gesangswettbewerb veranstaltet hat, würde für andere wahrscheinlich zwei Fulltime-Jobs ergeben, nicht für ihn, den amerikanische Medien gern als Übererfüller, als Over-Achiever, titulieren.
Wiederentdeckungen und Uraufführungen
Andere Tenöre, auch seiner Generation, haben vorgeführt, wie man sich künstlerisch überlebt: zu lange an den früheren Erfolgsrollen fest- und am Ende dem Vergleich mit dem jüngeren Selbst nicht mehr standhalten.
Selbstkritik und Neugier kommen zusammen, wenn Placido Domingo sich im Gegenteil seit den 1990er Jahren konsequent von "seinen" großen Standard-Partien von Cavaradossi bis Otello getrennt hat, um immer wieder Neuland zu betreten. Sei es, dass er sich weiter für die Oper "Cyrano de Bergerac" des Puccini-Zeitgenossen Franco Alfano stark macht, sei es, dass er (wie im Dezember 2006) eine auf ihn zugeschnittene Opern-Uraufführung zum Event macht.
In New York war das "The First Emperor" mit Musik von Tan Dun - eine Episode aus der chinesischen Geschichte mit jenem Kaiser im Mittelpunkt, der die Chinesische Mauer errichten ließ, dessen Charakterbild aber nicht nur sympathische Züge trägt. In einer spektakulären, farbenprächtigen Inszenierung, als Interpret einer zwischen fernöstlichen Klangreizen und Musical-naher Melodik changierenden Komposition musste Domingo auch hier nicht mehr den jugendlichen Liebhaber mimen, sondern durfte ein reifer, manchmal zweifelnder Mann mit Lebens-Schrammen sein.
In einer ähnlichen Konstellation wird man Placido Domingo dann 2009 bei einer Opernuraufführung an "seiner" Los Angeles Opera erleben können, wenn - nach dem Film-Plot von "Il postino" - er der alte, weise Ratgeber sein wird, und Rolando Villazon der ins Leben strebende Jüngling.
Opern-Raritäten im Plattenstudio
Auch im Plattenstudio lässt Domingo Routine nicht einreißen. Hier hat er zuletzt mit der Titelrolle von Giacomo Puccinis kaum je gespieltem Jugendwerk "Edgar" die letzte in seiner Diskografie davor noch fehlende Puccini-Tenorpartie eingespielt: eine heldische Partie, die auch Höhenglanz fordert - und von Domingo erhält. (Trotzdem bleibt es dabei: Kommende Saison wird Domingo an der Metropolitan Opera in New York in Glucks "Iphigenie en Tauride" nicht die Tenor-, sondern die hohe Baritonpartie übernehmen). Einer CD-Premiere galt auch Domingos Mitwirkung in der "Pepita Jimenez" von Isaac Albeniz.
Wie lange noch? Die Frage stellt sich mittlerweile Placido Domingo, der Anfang des Jahres seinen 66.Geburtstag gefeiert hat, auch selbst: "Es würde mich wundern, würde ich Oper singen, wenn ich 70 bin. Vielleicht Konzerte - aber Oper? Ich glaube nicht."
40-jähriges Bühnenjubiläum in Wien
Am Samstag feiert Startenor Placido Domingo sein 40-jähriges Bühnenjubiläum in der Wiener Staatsoper: In einer Gala singt er zwei seiner Paraderollen, den Siegmund in Wagners "Walküre" und die Titelpartie aus Verdis "Otello".
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Hör-Tipp
Placido Domingo - 40 Jahre an der Wiener Staatsoper, Samstag, 19. Mai 2007, 19:30 Uhr
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Placido Domingo