Von der Nutzgemeinschaft zur Liebesehe

Verliebt, verlobt, verheiratet

Etymologisch geht das Wort Ehe auf das alt- oder mittelhochdeutsche ewe oder ewa zurück, was Gesetz bedeutet. In den meisten Kulturen hatten Ehen den Charakter von Verträgen, die aus Gründen der Vermögens- oder Machtvermehrung geschlossen wurden.

In den meisten Kulturen hatten Eheschließungen den Charakter von Verträgen, die zwischen Familien, Clans, Stämmen oder auch Fürstenhäusern aus Gründen der Vermögens- oder Machtvermehrung geschlossen wurden.

Die katholische Kirche begann erst spät, bei der Eheschließung eine Rolle zu spielen. Und zum Sakrament wurde die Ehe erst per Konzilbeschluss im Jahr 1276. Damit verfestigte sich die religiöse Vorstellung von freiwilliger Partnerschaft; das bezog sich aber keineswegs auf die Gefühle der Eheleute. Vorrang hatte für die Kirche die Zeugung von Nachkommen und im übrigen die materielle Absicherung.

Ehe - eine Frage von Stand und Vermögen

Meist wurden Ehen innerhalb einer gesellschaftlichen Schicht geschlossen. Voraussetzung war Jahrhunderte lang der Nachweis einer eigenständigen Existenz-, das heißt: Ernährungsgrundlage. Bauern mussten das Ehe-Einverständnis ihres Grundherren einholen, aber auch Adelige ohne angemessenes Erbteil konnten nicht so einfach heiraten.

Ehe und Reformation

Neue Impulse durch eine neue Sicht der Ehe brachte die protestantische Reformation im 16. Jahrhundert: Martin Luther betonte ihre Gottgewolltheit, lehnte auch den Zölibat strikt ab und war überhaupt der Auffassung, dass Kirche und Ehe nichts miteinander zu tun haben sollten. Es solle auch keine Ehebeschränkungen, dafür aber die Möglichkeit von Scheidung und Wiederverheiratung geben.

Beim Konzil von Trient (1545-1563) wurde, katholischerseits, die so genannte "Formpflicht" eingeführt, die in erster Linie ein gegenreformatorischer Akt war: Ab nun konnte eine Ehe nur vor einem Priester geschlossen werden.

Moralisierungsschub mit Folgen

Erst in der frühen Neuzeit wurde die Ehe das zentrale gesellschaftliche Ordnungsmodell. Um das Jahr 1700 machte sich eine deutliche Tendenz zur Moralisierung der Geschlechterbeziehungen bemerkbar, die sich unter anderem darin zeigte, dass Frauen und Männer bestraft wurden, wenn es zu außerehelichen Schwangerschaften kam.

Ehe und Aufklärung

Das Zeitalter der Aufklärung konzipierte die Ehe als bürgerlichen Vertrag, und diese zivile Ehe sollte auch aufgelöst werden können. Allerdings hat sich dieses Modell in katholisch geprägten Ländern Europas unterschiedlich schnell verbreitet: Vorreiter war das revolutionäre Frankreich, 1792; in Österreich dagegen wurde eine gesetzliche Scheidung erst mit dem Anschluss an Hitlerdeutschland, 1938, möglich.

Die bürgerliche Liebesehe

Die Eheschließung aus gegenseitiger Zuneigung und nicht nur zur Wahrung des Besitzstandes war ein gänzlich neues, romantisches Konzept, das auch über die Literatur verbreitet wurde und sich nicht zuletzt gegen den Adel richtete, wo man aus dynastischer Raison heiratete und Sexualität und Leidenschaft für außereheliche Beziehungen reserviert hielt.

Für die breiten Unterschichten in Stadt und Land hatte dieses bürgerliche Liebes- und Ehekonzept jedoch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein so gut wie keine Bedeutung - hier galt weiterhin Existenz- und Versorgungsdenken.