Der Einfluss auf das eigene Leben
Monika Maron, Schriftstellerin
1941 in Berlin geboren, wuchs Monika Maron in der damaligen DDR auf und lebt heute wieder in Berlin. Immer wieder beschäftigt sich die Schriftstellerin in ihren Romanen mit den Einflussmöglichkeiten eines Individuums auf die eigene Biografie.
8. April 2017, 21:58
"Wir müssen die Gesellschaft wieder gestalten."
1988 hat Monika Maron die DDR verlassen, zunächst lebte die Schriftstellerin in Hamburg und seit 1992 wieder in Berlin. Damit kehrte Monika Maron in ihre Geburtsstadt zurück, in der sie 1941 auf die Welt gekommen war. Mit ihrer Mutter Hella übersiedelte sie als Zehnjährige von West- nach Ost-Berlin. In einem Vortrag mit dem Titel "Lebensentwürfe, Zeitenbrüche" sagte sie:
"Eine der nachhaltigsten Hinterlassenschaften der DDR ist wohl, dass sie ihre Bürger in einer Art Dauerpubertät gehalten hat. Ich sage das aus eigener Erfahrung. Wer ein Leben lang gehindert wird, die berechenbaren Folgen seines Tuns zu verantworten und im Dialog mit seiner Umwelt die eigenen Konturen und Grenzen zu erfahren, wird ein Leben lang nicht erwachsen werden, sondern sich, je nach Temperament, in infantilen Trotz, ziellose Rebellion oder andere Ausweichstrategien flüchten."
Pawels Briefe
In ihren Werken hat sich Monika Maron mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinandergesetzt; immer wieder wird die Geschichte ihrer Großeltern thematisiert. Im Buch "Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte" schreibt sie:
Warum habe ich überhaupt das Gefühl, rechtfertigen zu müssen, dass ich diese Geschichte, an der wenig sicher ist, schreiben will, jetzt noch, nachdem die Schicksale dieser gerade versunkenen Generation der Historie zugeordnet und in ihr vermauert wurden, selbst die ihrer Kinder.
Der erste Umweltroman der DDR
Monika Maron studiert Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und arbeitet dann sechs Jahre als Journalistin für die Frauenzeitschrift "Für Dich" und später für die "Wochenpost". Und schreibt 1981 den Roman "Flugasche", den ersten Umweltroman Ostdeutschlands, in dem sie sich kritisch mit der Umweltverschmutzung auseinandersetzt.
In dem Roman geht es um die Journalistin Josefa Nadler, die eine Reportage über die Stadt B. schreiben soll, gemeint ist dabei Bitterfeld, eine Kreisstadt im Südosten von Sachsen-Anhalt, ein Zentrum der chemischen Industrie. B., "die schmutzigste Stadt Europas", wird so dargestellt:
Diese Schornsteine, die wie Kanonenrohre in den Himmel zielen und ihre Dreckladung Tag für Tag und Nacht für Nacht auf die Stadt schießen, nicht mit Gedröhn, nein, sachte wie Schnee, der langsam und sanft fällt, der die Regenrinnen verstopft, die Dächer bedeckt, in den der Wind kleine Wellen weht. Im Sommer wirbelt er durch die Luft, trockener, schwarzer Staub, der dir in die Augen fliegt. (...) Nur die Fremden bleiben stehen und reiben sich den Ruß aus den Augen. Die Einwohner von B. laufen mit zusammengekniffenen Lidern durch die Stadt; du könntest denken, sie lächeln.
"Flugasche" ist zuerst in Westdeutschland erschienen. In der damaligen DDR wurde ihr vom stellvertretenden Kulturminister vorgeworfen, dass sie mit ihrem Buch Schwarzmalerei betreiben würde.
Keine Distanzierung von der Vergangenheit
In ihren Romanen und Erzählungen setzt sich Maron mit den Möglichkeiten des Menschseins individuell und in der Gesellschaft auseinander. Teilweise als Hintergrundfolie dienen ihr ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit der ehemaligen DDR. 2004 schreibt Monika Maron in dem Text "Die Flick-Collection":
Mein Stiefvater, dessen Namen ich seit meiner Kindheit trage, war Innenminister der DDR, und ich wurde in den letzten fünfzehn Jahren einige Male gefragt, warum ich diesen Namen denn nicht abgelegt habe. Der Frage haftet eine seltsam routinierte Scheinheiligkeit an. Was wäre nach einem solchen demonstrativen Akt anders gewesen? Hätte ich einen anderen Stiefvater gehabt? Wäre mein Leben nachträglich anders verlaufen?
Wichtig ist, was wir aus uns machen
Auf dem Historikertag 2002 in Halle hat Monika Maron den - bereits zu Anfang erwähnten - Vortrag "Lebensentwürfe, Zeitenbrüche" gehalten; da sagt sie am Ende ihrer Ausführungen:
"Als ich Mitte Dreißig war und vermutlich wieder einmal unzufrieden mit meiner Herkunft, Erziehung und Veranlagung, sagte eine Freundin zu mir, ab irgendwann sei es unwichtig, warum wir wie geworden sind, wichtig sei nur noch, was wir daraus machen. Das ist ein hilfreicher Satz in meinem Leben gewesen, auch wenn der Spielraum vermutlich geringer war, als ich dachte."
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 31. Dezember 2006, 14:05 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Buch-Tipps
Monika Maron, "Wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche", S. Fischer Verlag, ISBN 978-3596166640
Monika Maron, "Geburtsort Berlin", S. Fischer Verlag, ISBN 978-3596157280
Monika Maron, "Endmoränen", S. Fischer Verlag, ISBN 978-3596154548
Monika Maron, "Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte", S. Fischer Verlag, ISBN 978-3596149407
Link
Wikipedia - Monika Maron