Der unerschrockene Amazonasbischof aus Vorarlberg

Mit Leib und Seele

Sein Leben ist wie der Amazonas: Jeder Tag gezeichnet von Ebbe und Flut. Er setzt sich für die Entrechteten, Armen und Heimatlosen ein. Ein lebensgefährliches Unterfangen, denn bei den Mächtigen, Skrupellosen, aber Einflussreichen steht er auf der Todesliste.

Erwin Kräutlers Gedanken über ein neues Priestermodell

Er setzt sich ein für die Entrechteten, die Ausgebeuteten, die Armen und die Heimatlosen: Bischof Erwin Kräutler. Der gebürtige Vorarlberger lebt seit mehr als 40 Jahren in Brasilien. Er ist Bischof im Amazonasgebiet und seine Prälatur ist benannt nach dem Fluss Xingu, einem der größten Nebenflüsse des Amazonas.

Von den Brasilianern wird er liebevoll "Dom Erwin" genannt. Der heute 67-jährige Priester wird in Brasilien "Dom Erwin" genannt. Wegen seines Einsatzes für die Unterprivilegierten wird er immer wieder mit dem Tod bedroht. Aber er kämpft unerschrocken und hartnäckig weiter für Gerechtigkeit und stellt sich schützend auf die Seite der Opfer.

Auf der Todesliste

Bischof Erwin Kräutler lebt gefährlich. Er ist den Mächtigen, Gierigen, den Skrupellosen, aber Einflussreichen ein Dorn im Auge. 1983 wurde er festgenommen und von der Militärpolizei misshandelt. 1987 überlebte er nur knapp einen inszinierten Autounfall. Immer wieder erreichen ihn Morddrohungen. Daher lebt er unter Polizeischutz.

Einer der zahlreichen Hintergründe der Morddrohungen ist sein Einsatz bei den Ermittlungen im Fall der ermordeten Missionarin Dorothy Stang: Die 73-jährige US-amerikanische Ordensfrau wurde im Februar 2005 erschossen. Stang hatte 30 Jahre lang in Brasilien gelebt und sich für Umweltschutz, für den Amazonas-Regenwald und für die Rechte von landlosen Bauern eingesetzt. Bisher kamen fünf Tatbeteiligte in Untersuchungshaft, drei vor Gericht.

Wer schweigt, stimmt zu

Kräutler ist hartnäckig. Als bekannt wird, dass mehrere minderjährige Mädchen sexuell mißbraucht worden sind, stellt er sich auf die Seite der Opfer. Er schreibt Briefe ans Justizministerium, an die Staats- und an die Bundespolizei. Auch in diesem Fall sind einflussreiche Personen verwickelt.

"Wer schweigt, stimmt zu", meint Bischof Kräutler. Sein Engagement gilt der Mit-Welt, den Menschen und der Natur. Widerstand zeigt er zum Beispiel auch gegen den Bau eines Staudammprojekts in Altamira. Sein Engagement ist täglich lebensgefährlich: Nicht für die Menschen, sondern neben und mit ihnen leben - das will Erwin Kräutler.

Kein Schreibtisch-Bischof

In Brasilien leben rund 185 Millionen Menschen, die mehrheitlich katholisch sind. Erwin Kräutler lebt im Norden des Landes. Die Prälatur Xingu im brasilianischen Amazonasgebiet ist viermal so groß wie Österreich - mit einer halben Million Einwohner, davon 8.000 Indichinas, brasilianische Ureinwohner. Bischof Erwin Kräutler ist keiner den es lange in seinem Bischofssitz in der Stadt Altamira hält; er will kein "Schreibtisch-Bischof" sein und ist deshalb ständig unterwegs.

Die kirchliche Basisgemeinde ist für Dom Erwin ein Ausdruck lebendiger Kirche. Wenn Bischof Kräutler in Europa unterwegs ist, wie etwa kürzlich bei einem Besuch in Kärnten, dann erzählt er immer wieder von diesen Basisgemeinden.

Missionar vom Kostbaren Blut

Erwin Kräutler ist ein Anhänger des Zölibats. Debatten rund um die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern in der römisch-katholischen Kirche oder zur Frage der Priesterweihe für bewährte verheiratete Männer sind für ihn nicht der richtige Ansatz.

Aufgewachsen ist Erwin Kräutler in Koblach in Vorarlberg. Nach seiner Matura in Feldkirch tritt er in die Kongregation der "Missionare vom Kostbaren Blut" ein. Er studiert Theologie und Philosphie in Salzburg und wird 1965 zum Priester geweiht. Noch im selben Jahr wird er Missionar am Rio Xingu und am Amazonas. Sein Onkel Erich Kräutler ist damals Bischof dieser Prälatur in Brasilien. Erwin Kräutler wird sein Nachfolger - 1981 ernennt ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die Kirche wirkt nicht nur im sakralen Raum, sie lebt im Hier und Jetzt, davon ist Erwin Kräutler überzeugt. Und die viel zitierte und oft diskutierte Theologie der Befreiung definiert er ganz konkret:

"Das Wort Befreiung birgt für die Armen Lateinamerikas die Hoffnung, dass der morgige Tag eine Änderung bringt und die ersehnte Freiheit der Kinder Gottes Wirklichkeit wird. Diese Sehnsucht lässt die Menschen nicht los: 'Die Hoffnung ist das Letzte, das stirbt', sagt ein lateinamerikanisches Sprichwort. Diese Hoffnung drängt zum gemeinsamen Handeln, zur Solidarität mit den Verelendeten."

Mein Leben ist wie der Amazonas
Erwin Kräutler steht den Ureinwohnern Brasiliens zur Seite wenn sie um ihre Rechte kämpfen. Er plädiert für eine gerechte Agrarreform und ist gegen die skrupellose und illegale Abholzung der Regenwälder. Im November dieses Jahres wurde Dom Erwin zum Präsidenten des katholischen Indianer-Missionsrates wieder gewählt. Diese Funktion hatte er bereits einmal - zwischen den Jahren 1983 und 1989 - inne. Sein Zugang zu anderen Kulturen ist gezeichnet von Einfühlungsvermögen und Verständnis.

Sein Leben ist wie der Amazonas: Jeder Tag gezeichnet von Ebbe und Flut. Ein Strom, der ruhig und träge seine Wege sucht und dann plötzlich durch einen Sturm, einen Blitz aufgepeitscht wird. "Mein Leben ist wie der Amazons" so auch der Titel eines seiner Bücher, in denen er Themen wie "Friede und Liebe" in den Mittelpunkt stellt. Wenn Bischof Kräutler seine Heimat Österreich besucht, dann wird er oft gefragt, was man denn selber tun könne, um die Welt gerechter zu machen. Seine Antwort: "Bescheidener und dankbarer leben."

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Hör-Tipp
Logos, Samstag, 23. Dezember 2006, 19:05 Uhr

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Buch-Tipp
Erwin Kräutler, "Mein Leben ist wie der Amazonas", Verlag Herder, ISBN 3451088150

Links
Wikipedia - Erwin Kräutler
fegerl.at - Mein Leben ist wie der Amazonas