Ein Gefühlsausbruch
That's Soul
Als Soul wird ein afroamerikanischer vokaler Musikstil der 1960er Jahre bezeichnet, in dem Momente des Spirituals und Gospels, Formen des Blues sowie auch des Jazz in einer dem Rhythm & Blues verpflichteten Musik verschmolzen.
8. April 2017, 21:58
Sweet Soul Music, die Melange aus Gospel und Rhythm & Blues, füllte zunächst die Gotteshäuser im schwarzen New Yorker Stadtteil Harlem, dann kam der Aus- und Aufbruch.
Der farbige Schriftsteller James Baldwin notierte: "Ich habe nie etwas erlebt, das dem Feuer und der Erregung gleichkäme, das die Kirche ins Erzittern brachte."
Schmerzensschrei und Errettung
Soul bedeutet Spirit, Schmerzensschrei und Errettung und definiert den afroamerikanischen Musikstil der 1960er Jahre, in dem Spiritual und Gospel in ihrer Expressivität und Formen des Blues, des Jazz und Rythm & Blues verschmolzen.
Wichtige Protagonisten sind unter anderem James Brown, Aretha Franklin, Ray Charles, Al Green und Salomon Burke, vor allem wenig bekannte Kometen wie O.V. Wright, Bobby Bland und Mavis Staples.
Kreative Potenz
Der laszive Rhythmus signalisierte kreative Potenz, die Performance wurde von weißen Rock- und Popstars abgekupfert: Mick Jagger und Freddie Mercury kopierten die Körpersprache, weiße Beat-, Rock- und Pop-Bands bereicherten sich an schwarzer Musik, denn viele Hits waren in ihrer Substanz "black".
"Say it loud, I'm black und I'm proud!"
"Soul-Music" war politisch, reflektierte das Anerkennungsstreben der farbigen Amerikaner Mitte der 1960er Jahre, als sich Radio-Stationen in Washington als "Soul-Radio" bezeichneten und in der Bürgerrechtsbewegung Rassenunruhen kulminierten.
Otis Redding im Interview: "Soul is black nationalism in pop". In den Schwarzen-Ghettos wurde das Identifikationssymbol "Soul brother" von farbigen Ladenbesitzern als Schild benutzt, um sich vor Zerstörung und Plünderung zu schützen.
Explizit beschrieb der Schriftsteller Claude Brown die typische Haltung des "Soul brothers": "Soul ist Unverschämtheit und Arroganz. Soul ist, wenn man die Straße hinuntergeht in einer Weise, die ausdrückt, hier komme ich, motherfucker! Es bedeutet ehrlich zu sich selbst sein, zu dem was du bist, selbstbewusst und stolz zu werden!"
Glitzernde Outfits, Pathos, Sex und Black Power
"Eine Musik, so körperlich, wie keine andere Musik", schrieb Joachim-Ernst Behrendt in seinem "Jazzbuch". Besungen wird die göttliche - und die irdische Liebe. "Soul ist gute Fickmusik", sagt Helge Schneider, "Jazz dagegen ist keine gute Fickmusik."
"Soul war urban und ein Signum für Power, für Glanz und Schönheit", meint der Architekt und Designer Carl Auböck, denn: "Soul ist Stil, Mode, Radikalität und Tempo, klassenbewusste Geisteshaltung".
Gospelqueen Aretha Franklin
Eine markante Erscheinung in der Frühzeit des Soul war die frühere Teenager-Gospelqueen Aretha Franklin. Jahrelang beim weißen Plattenlabel CBS schlecht platziert, unterschrieb sie bei Atlantic Records und verwandelte Otis Reddings "Respect" in eine Hymne triumphierender Autonomie.
Von Frauen an die Männer gerichtet und von Schwarzen an die Weißen, zeigte "Respect" an, dass sich die Regeln geändert hatten.
Von "Oh Jesus" zu "My Baby"
"Du kannst es nennen, wie du willst. Ich rede auf der Bühne nicht von Jesus, doch meine Songs handeln von der Liebe zum Leben. Es war mein Versuch, den Heiligen Geist auch dort zu suchen, wo die Kirche nicht hinreichen konnte: in die Tanzsäle, Bars und billigen Motels, that's Soul!"
Der das sagte war schwarz, blind und Vollwaise: Ray Charles verteilte seine Kunst und Gunst an Millionen. Er legte seine Seele in jedes Lied, sodass man seine Musik "Soul" nannte - die säkularisierte Inbrunst der afroamerikanischen Kirchenmusik. Er war es, der die alten Gospelmelodien auf die Bühne brachte und "Jesus" durch "Baby" ersetzte.
Und doch blieb die "göttliche Mission" präsent, die Verheißungen der schwarzen Soul-Prediger - die ganz irdische Sehnsucht nach einer gerechteren Welt.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 20. August 2007 bis Donnerstag, 23. August 2007, 9:45 Uhr
Buch-Tipps
Jean-Martin Büttner, "Sänger, Songs und triebhafte Rede", Stroemfeld, ISBN 9783861091363
Klaus Wolbert (Hg.), "That's Jazz - Der Sound des 20. Jahrhunderts", Bochinsky, ISBN 3923639872
Links
Soul Strut
Galactic Fractures
Soul Kombinat
Deepfunk.org
Raw Soul