Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen

Die Fleischmafia

Den so genannten "Gammelfleischskandal" in Deutschland hat der ARD-Journalist Adrian Peter Anfang des Jahres im Fernsehfilm "Die Fleischmafia" aufgezeigt. Jetzt hat er seine Erkenntnisse in einem Buch aufbereitet.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Fleischwirtschaft in Deutschland in ihrer Praxis immer mehr der Baubranche angeglichen. Anders als in Österreich herrscht dort mittlerweile ein Sub-Sub-Sub-Unternehmersystem, bei dem alle Beteiligten formal vollkommen selbstständig agieren - was so viel bedeutet wie: Ein Fleischkonzern vergibt Aufträge wie das Schlachten und das Zerlegen von Rindern und Schweinen in Form von Werkvertragsarbeit an Fremdfirmen.

Fest angestellt sind oft nur noch die Mitarbeiter der Verwaltung und einige Produktionsleiter. Für die Fleischbranche erweist sich dies als durchaus praktisch, da sie sich nicht mit Gewerkschaften und Tariflöhnen herumschlagen muss. Sie kann den Zerlege-Auftrag an den billigsten Anbieter erteilen, in den meisten Fällen ein deutscher Subunternehmer, der wiederum einen Werkvertrag an ein osteuropäisches Unternehmen vergibt.

Gesetzliche Schlupflöcher

Klar und nachvollziehbar zeigt der ARD-Journalist Adrian Peter auf, dass diese gesetzliche Regelung sowie die der Dienstleistungsfreiheit im erweiterten Europa Schlupflöcher bietet. Und er zeigt auf, wie diese Schlupflöcher von kriminellen Zellen ausgenutzt werden: So muss eine Firma, um Aufträge aus Deutschland annehmen zu können, dort per Gesetz einen funktionierenden Schlachthof betreiben. In vielen Fällen existieren jedoch nur Briefkastenfirmen, die auf Grund mangelnder Kontrollen nicht auffliegen.

Das größere Übel trifft jedoch die Arbeiter selbst, die aus Rumänien, Ungarn und anderen osteuropäischen Staaten kommen und für Niedrigstlöhne am Fließband stehen und in schäbigen Unterkünften hausen müssen. Dieses kriminelle und häufig illegale Beschäftigungssystem ist laut Adrian Peter einer der gewichtigsten Gründe für Auswüchse wie den "Gammelfleischskandal".

Gravierende Missstände

In mehrere Kapitel unterteilt, dokumentiert Adrian Peter detailliert verschiedenste Missstände, die sich in den letzten drei Jahren in der Fleischbranche zugetragen haben: vom Subunternehmer im schicken Mercedes, der seine osteuropäischen Mitarbeiter mit der Pistole bedroht, bis zu Schimmel, Blut und Kot in Fleischverarbeitungshallen. Nüchtern und sachlich führt der Autor Ortstermine und Aktenfunde an, sowie Interviews mit Staatsanwälten und Managern, Subunternehmern und mit Arbeitern, von denen manche lieber anonym bleiben wollten.

Vor allem durch die Hilfe vertrauenswürdiger Informanten konnte Adrian Peter in den letzten Jahren seinen Recherchen nachgehen. Ohne Fotos, die ihm zugespielt wurden und Informationen von Insidern aus diversen Betrieben, wäre es ihm nicht möglich gewesen, die Machenschaften manch krimineller Fleischunternehmer aufzudecken, sagt Adrian Peter.

Fast ein Schauerroman

Das Buch "Die Fleischmafia" mutet vielfach wie ein Schauerroman an. Nicht nur die hygienischen Bedingungen in den Schlachtbetrieben sind skandalös, die Machenschaften dahinter sind teilweise weit skandalöser, die menschlichen Schicksale aufrüttelnder: Körperverletzung, Menschenhandel, Dokumentenfälschung, Brandstiftung - Delikte, die Adrian Peter in seinem Buch dokumentiert, und die eher an das Rotlichtmilieu erinnern, als an die Lebensmittelbranche.

Trotz offensichtlich gut recherchierter Informationen wirken die Beschreibungen an manchen Stellen etwas zu reißerisch und redundant. Informationen über mögliche Alternativen in der Fleischindustrie wären ein interessanter Gegenpol zum Enthüllungsjournalismus gewesen, auch klare Strategien zu einer Verbesserung der Situation und Tipps für Konsumenten fehlen im Buch völlig.

Adrian Peter hat sein Buch aber ganz bewusst nicht service-orientiert angelegt: "Zum Einen ist das Problem, welchen Ratschlag könnte ich den Leuten denn schon geben? Ich könnte nicht sagen, kauft dies, vermeidet das, tut jenes, weil ich für kein Produkt die Hand ins Feuer legen würde. Zum Anderen fehlt in Deutschland gerade die Auseinandersetzung damit, womit haben wir es denn eigentlich zu tun in der Schlachtbranche?" Womit es die Konsumenten, die Beschäftigen und die Politiker in der deutschen Fleischbranche zu tun haben, zeigt Adrian Peter in seinem Buch auf jeden Fall deutlich und nachhaltig auf.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Adrian Peter, "Die Fleischmafia. Kriminelle Geschäfte mit Fleisch und Menschen", Econ Verlag, ISBN 3430300134