Droht in Bangladesch Eskalation der Gewalt?

Gottesstaat oder säkulare Demokratie?

Am 21. Jänner wird in Bangladesch gewählt. Die Hauptgegner - das regierende Bündnis von Nationalisten und Islamisten und die liberale Awami-League - stehen sich in unversöhnlichem Hass gegenüber. Drei Dutzend Menschen sind im Wahlkampf bisher gestorben.

Zeitungsherausgeber Matiur Rahman zur derzeitigen Lage

Für Jänner sind in Bangladesch Wahlen geplant. Findet das Land wieder Anschluss an seine säkulare Tradition oder werden die islamistischen Parteien mit ihrem Koalitionspartner - der BNP, der Bangladesh Nationalist Party, ihre Positionen ausbauen können?

Im Vorfeld des Urnengangs stehen einander Übergangsregierung und Awami-League in einem vehementen Machtkampf gegenüber, der zu eskalieren droht. Nach Verkehrsblockaden von Anhängern der Awami-Liga sind bei Zusammenstößen mit der Polizei bereits mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Armee soll Sicherheit garantieren

In der Nacht zum Montag rollten in Bangladesch die Panzer. Der Präsident, der gleichzeitig Chef der Übergangsregierung ist, hat die Armee aufgefordert, die Sicherheit während der Wahlperiode zu gewährleisten. 70 Bataillone mit Panzern wurden stationiert; auch Marine und Luftwaffe haben Stellung bezogen. Seit Ende Oktober regiert in Bangladesch das "caretaker government" - eine weltweit einzigartige Institution. Die dreimonatige Zwischenregierung soll die Voraussetzungen für faire und freie Parlamentswahlen schaffen, die für Jänner 2007 geplant sind.

Doch in den Augen der Parteien, die von 2001 bis Oktober 2006 in Opposition waren, ist die Übergangsregierung nicht neutral und der Ruf nach der Armee ein Trick, faire Wahlen zu verhindern. Unter Umgehung der Verfassung hat sich Staatspräsident Iajuddin Ahmed selbst zum Chef der Regierung ernannt. Er war 2002 von der BNP ins Amt gebracht worden. Stark kritisiert wird auch der Leiter der Wahlbehörde, dem ebenfalls ein Naheverhältnis zur BNP nachgesagt wird.

Unversöhnlicher Hass der politischen Gegner

Die politischen Rivalen stehen sich diesmal mit unversöhnlichem Hass gegenüber. Auf der einen Seite die Bangladesh Nationalist Party, deren Koalitionsregierung mit islamistischen Parteien eben zu Ende gegangen ist; auf der anderen Seite die 14-Parteien-Allianz unter Führung der Awami League - jener Partei, die 1971 die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan erkämpft hat.

Fast täglich kommt es zu Demonstrationen, Sitzstreiks und häufig auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Korruptionsverdacht gegen BNP-Politiker

Der Awami League werden gute Chancen eingeräumt, an die Macht zu kommen, denn viele Menschen in Bangladesch sind von der BNP-Regierung enttäuscht. Die Korruption hat ungekannte Ausmaße angenommen. Von den fünf neuen privaten Fernsehstationen, die in den vergangenen Monaten gegründet wurden, sind sämtliche Eigentümer frühere Minister der BNP. Aber auch prominente BNP-Politiker sind zu großem Reichtum gelangt.

Einer davon ist Tariq Rahman, der Sohn der scheidenden Premierministerin Khaled Zia. Als er 250 Millionen Dollar nach Malaysia transferieren wollte, um dort Geschäfte zu machen, ließ die malaysische Regierung das Geld einfrieren, denn Tariq Rahman konnte nicht angeben, woher das Geld kam.

Hohe Preise durch Wirtschaftssyndikate

Verteuerung der Grundlebensmittel. Nach Überzeugung vieler Experten wurde die Teuerung künstlich durch Wirtschaftssyndikate herbeigeführt, die auf dem Rücken ihrer Landsleute traumhafte Gewinne einstreichen.

Es gibt Syndikate für Reis, Zucker oder etwa Kerosin, das zum Kochen verwendet wird. Ein Kilo Zucker, das normalerweise 36 Taka (umgerechnet etwa 40 Cent) kosten würde, wird für 56 bis 60 Taka verkauft, also fast für das Doppelte.

Niederlage mit allen Mitteln vermeiden

Die BNP und ihre Koalitionspartner, allen voran die Jamaat-e-Islami Bangladesh, greifen zu allen Mitteln, um eine Wahlniederlage zu vermeiden. Bei der BNP fürchten viele, im Falle einer Niederlage für ihre illegalen Aktivitäten zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Die Jamaat-e-Islami, die ursprünglich die Trennung von Pakistan ablehnte, hat gemeinsam mit anderen islamistischen Kräften ihre Position während der vergangenen fünf Jahre deutlich gestärkt. Sie hat ihre Leute in wichtige Positionen von Verwaltung und Polizei gebracht. Ein neues Gesetz gewährt den Absolventen von Madrasas nun Zugang zum Staatsdienst. Die islamistischen Kräfte fürchten, durch eine Wahlniederlage an Einfluss zu verlieren, so dass ihr eigentliches Ziel, die Errichtung eines islamischen Staates, wieder in weite Ferne rückt.

Übernimmt das Militär die Macht?

Manche Beobachter befürchten, dass das Militär die Macht übernehmen könnte. Wenn die BNP, so lautet das Drehbuch für dieses Szenario, gemeinsam mit ihren Bündnispartnern zur Überzeugung gelangt, dass sich eine Wahl mit voraussichtlichem Sieg der Awami League nicht vermeiden lässt, könnte sie versucht sein, Straßenkämpfe in einem solchen Ausmaß zu provozieren, dass der von der BNP ins Amt gebrachte Präsident einen guten Grund hat, den Ausnahmezustand auszurufen und das Militär zum Einschreiten zu bitten. Im Militär verfügt die BNP über viele loyale Kräfte. Der Parteigründer Ziaur Rahman war ein hoher General.

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 12. Dezember 2006, 18:25 Uhr

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Links
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