Wie viel Helligkeit braucht der Mensch?

Ein ganzes Dorf im Schatten

Sonne gibt es im Inntal in den Wintermonaten reichlich, nur nicht in Rattenberg. Dort gibt es nur reichlich Schatten. Dem soll nun abgeholfen werden. Große Spiegel sollen das Licht jenseits des Berges in das dunkle Tal lenken.

Licht ist die Passion von Christian Bartenbach. Der Sohn eines Elektrikers stieg in das Lichtgeschäft ein, zu einer Zeit, als die Leuchtstoffröhre gerade erst auf den Markt gekommen war. Er gründete ein Planungsbüro für Licht, das erste seiner Art, und erforscht seitdem die Effekte des Lichts auf die menschliche Wahrnehmung. Heute lassen sich Planer und Bauherren weltweit von Bartenbach beraten. Sei es für Museen, Stadtplätze oder wie in Rattenberg, für eine ganze Stadt, die im Schatten eines Berges liegt.

Die 435-Einwohner Stadt Rattenberg in Tirol liegt von November bis Februar im Schatten des Schlossberges, der im Süden hoch über die Stadt erhebt. Zu tief steht die Sonne, als dass ihre Strahlen die kleine Stadt am Fuße des Berges erreichen könnten.

Der Segen als Fluch
Ursprünglich war der Berg ein Segen für die Stadt. Im Schutz der Festung konnte sich die Siedlung zu einer ansehnlichen Stadt entwickeln. Heute sind von der Festung am Berg nur noch Fragmente erhalten.

Sonne gäbe es im Inntal in den Wintermonaten reichlich, nur nicht in Rattenberg. Die Rattenberger gehen seit je her zum Sonne tanken über die Innbrücke nach Kramsach.

Kann der Anblick eines strahlend blauen Himmels Ersatz für das fehlende direkte Sonnenlicht sein? Nein, der blaue Himmel alleine genügt nicht. Das Auge benötigt die Erscheinungsbilder des Sonnenlichts wie zum Beispiel Lichtflecken an Häuserwänden, Lichtreflexe an den Fensterscheiben, harte Schatten, Kontraste von Hell und Dunkel.

Wohlgefühl durch Wärme

Erst wenn man diese Sonnenfigurationen sieht, fühlt man auch, dass die Sonne scheint. Und mit dem Empfinden von Wärme setzt schließlich das Wohlgefühl ein.

Mit diesem Wissen entwickelten die Studenten der Lichtakademie Bartenbach im Rahmen ihres Studienlehrgangs eine Lösung, wie künftig Sonnenlicht auch im Winter nach Rattenberg gelenkt werden kann.

Licht durch Spiegel

Ein ganzes Feld aus Spiegeln soll 400 Meter vom Schlossberg entfernt, am nördlichen Innufer, das Sonnenlicht einfangen. Auf dem Schlossberg würde ein zweites Spiegelfeld positioniert werden, von dem aus die Sonnenstrahlen vom Schlossberg hinunter in die Stadt reflektiert werden sollen.

Das Ergebnis: In der Hauptstraße würden die südseitigen Häuserfronten im Winter tagsüber in der Sonne stehen!

Primärspiegel, Sekundärspiegel - bei dem Aufwand stellt sich die Frage, ob der Effekt nicht mit künstlichem Licht erreicht werden könnte. Die Antwort ist ganz klar: nein. Und zwar auf Grund der Lichtintensitäten. Lichteffekte mit Kunstichtquelle würden sofort als Künstlichkeit verstanden werden. Sonne hat von ihrem Erscheinungsbild 1 Milliarde Candela pro Quadratmeter, die beste künstliche Lichtquelle, die es gibt, hat nur 60 Millionen Candela, nicht einmal 10 Prozent der Sonnenintensität.

Mittlerweile weltbekannt

Die EU hat Interesse am Projekt und fördert es im Rahmen der EUREKA-Förderung. Ein spanisches Sonnen-Großkraftwerk möchte sich an der Realisierung der Spiegelfelder beteiligen. Und in Rattenberg sind bereits erste hoffnungsfrohe Touristen auf der Suche nach den mittlerweile weltbekannten Spiegeln.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 19. Jänner 2008, 17:05 Uhr

Mehr dazu in Ö1 Programm

Links
Gemeinde Rattenberg
Lichtakademie Bartenbach
Wikipedia - Candela