Mit hörbarer Freude an russischer Musik
Netrebkos "Russian Album"
Ihr drittes Recital "Russian Album" hat Anna Netrebko nun mit ihrem Petersburger Mentor Valery Gergiev aufgenommen. Mit ihrer typisch slawischen Stimme von äußerst hellem Timbre vermittelt die Star-Sopranistin hörbar ihre Freude an russischer Musik.
8. April 2017, 21:58
Anna-Netrebko-Fans sind nicht auf einen engen musikalischen Geschmack eingeengt. Ihr Idol singt Mozart wie Massenet, Gounod wie Glinka oder Duette mit Romeo und Rigoletto. In Stilfragen ist sie kompetent, Fachgrenzen werden überwunden, künstlerische Flexibilität ist Trumpf.
Nach einem allzu beliebig italienisch, französisch, slawisch programmierten und allzu beiläufig musizierten Recital mit den Wiener Philharmoniker unter Gianandrea Noseda und einer CD mit ausgewählten, von zahlreichen Comprimarii bevölkerten, umfang- und kontrastreichen Opernszenen des italienischen Repertoires mit dem Mahler Chamber Orchestra unter Claudio Abbado, begleitet sie jetzt bei ihrer dritten Recital-Produktion "Russian Album" ihr Petersburger Mentor Valery Gergiev mit dem Orchester seines Mariinsky Theaters, der Geburtsstätte des Netrebko-Ruhmes. Hier machte sie die ersten Schritte auf der Opernbühne in einem rein russischen Repertoire: und so sind nun zwölf Nummern bzw. Lieder, Arien und Szenen von Glinka, Tschaikowsky, Rimski-Korsakow, Rachmaninow und Prokofjew auf dieser neuen CD zu hören.
Eine typisch slawische Stimme
Jetzt glaubt man deutlich, was sie im italienischen und französischen Repertoire nur kunstvoll verschleierte: Das ist eine typisch slawische Stimme von äußerst hellem Timbre, die uns die wehmütige Einsamkeit weiter Steppen Ostasiens klanglich vermittelt, weich, geschmeidig, mit Diminuendi, die weich verschwebend im Raum, oder besser im Gedächtnis nachklingen.
Doch wem der Salzburger "Figaro" noch nicht aus dem Gedächtnis geschwunden ist, der wird sich noch an den Eindruck erinnern: Das ist doch keine echte Susannen-Stimme mehr. Und er wird auch vielleicht von dem Festspiel-Gerücht gehört haben, Harnoncourt hätte die Netrebko auch lieber als Gräfin gehabt, und nur die Susanne akzeptiert, weil sie ihre erfolgreiche Debütrolle am Mariinski Theater - das war im Jahr 1994 - jetzt im Mozart-Jahr in Salzburg wiederholen wollte.
Mehr zum Salzburger "Figaro" in oe1.ORF.at
Etwas eintönige gleißende Helligkeit
Auch das spricht dafür, dass die Netrebko in allen Sätteln gerecht ist. Allerdings ist gerade die gleißende Helligkeit ihrer Stimme hier im russischen Repertoire, wenn man einmal eine ganze CD-Stunde gehört hat, ein wenig eintönig, dabei aber eher opulenter, als auf die Dauer bekömmlich. Die Vergleiche mit der Callas mögen ja einen Werbeffekt haben ("The latest next Callas", heißt es bei Amazon), aber gerade die Fähigkeit der Callas, ihre, vielleicht nicht so schöne Stimme, für jede Rolle eine neu Grundfarbe zu geben, besitzt Netrebko nicht, zumindest nicht im russischen Repertoire. Wenngleich die abschließende Briefszene der Tatiana schon eine beträchtliche Spannweite von jugendlicher Leuchtkraft bis zu reifer Charakterisierungskunst aufweist.
Nein, wenn man versucht, gerecht zu sein, dann ist es nicht die Stimme allein, die Einförmigkeit erzeugt, sondern viel eher der gleichmäßig schwelgerische Charakter von so viel russischer Spätromantik. Sobald man dann zu dem so viel herberen Klang Prokofjews kommt, der in "Krieg und Frieden" auch durch abwechslungsreiche Rhythmik und pointierte Instrumentation erreicht wird, sobald zumindest einige Comprimarii (nicht so viele und nicht so interessante, wie im Abbado-Recital) ein wenig für vokalen Kontrapunkt sorgen und sobald die Netrebko expressivere und nicht nur schwelgerische vokale Aufgaben hat, schwinden die anfänglichen Einwände völlig dahin - wie so ein süffiges Diminuendo in einer der Rachmaninow- oder Rimski-Arien des Recitals.
Hörbare Freude an russischer Musik
"Fünf Tage lang russische Musik zu singen, ist eine solche Freude für mich!", sagte Anna Netrebko in einem Interview -und genau danach klingt auch dieses Recital. Die Freude des vokalen Musizierens teilt sich überzeugend dem Hörer mit, wozu auch ihr Mentor Gergiev ein gerüttelt Maß beträgt.
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CD-Tipp
Anna Netrebko, "Russian Album" mit Werken von Glinka, Prokofiev, Rachmaninov, Rimsky-Korsakov, Tschaikowsky, Dirigent: Valery Gergiev, Orchester des Mariinsky Theaters, Deutsche Grammophon, 477 638-4
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