Über die Liebe als lebenserhaltendes Potential
Haut und Himmel
Der Sieg der Liebe über die Hoffnungslosigkeit: davon handelt Dimitré Dinevs Stück "Haut und Himmel", das am 5. Dezember im Rabenhof Uraufführung feierte. Als Wink sieht Dinev das Premieren-Datum zwar nicht - aber auch an einem Libretto hätte er Interesse.
31. Juli 2020, 12:16
"Mein Anliegen ist es zu zeigen, dass die Liebe als Potentialität überall möglich ist und dass es uns wegen dieser Möglichkeit letztlich gibt. Was mich immer erstaunt und über die Jahre beschäftigt: Wieso ist Liebe bei all diesem Grauen möglich - bei all unserer Vernunft und unserem Wissen, mit unserer Geschichte: Warum ist die Liebe möglich? Im Deutschen ist es nur ein Wort, das viele Facetten vereinigt, im Griechischen wären es drei: mit Philos, Eros und Agape, auch Caritas, die Nächstenliebe. Auch wenn die Gesetze eines Landes etwas anderes vorschreiben - die Liebe überlebt trotz all dieser Gesetzmäßigkeiten. Und diese Möglichkeit wollte ich in überspitzter Form zeigen", erzählte Dimitré Dinev im Gespräch mit oe1.ORF.at kurz vor der Uraufführung seines Theaterstücks "Haut und Himmel", das am Dienstag, den 5. Dezember 2006, im Wiener Rabenhoftheater Premiere hatte.
Das Rabenhoftheater präsentiert das Bühnen-Debüt des bulgarisch-stämmigen Autors, der seit 1990 in Österreich lebt und mit seinem Debüt-Roman "Engelszungen" große Erfolge feiern konnte.
Gleichzeitig ist es die erste Produktion der "wiener wortstaetten", einem interkulturellen Autorentheater-Projekt von Hans Escher und Bernhard Studlar. In Hans Eschers Inszenierung sind Sonja Romei, Heinz Weixelbraun und Sebastian Wendelin zu sehen.
Eine Liebesgeschichte
"Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einem Söldner und einer Leichenschänderin, die einander auf einem Schlachtfeld begegnen. Sie hat gerade die Leiche ausgeraubt, und der Söldner erwischt sie dabei. Ursprünglich will er sie umbringen, weil das für ihn das Schlimmste ist, was man tun kann. Denn er hat vor der Welt der Toten großen Respekt, weil er sie für die besseren Menschen hält. Aus diesem Konflikt entwickelt sich eine Liebesgeschichte", schildert Dinev sein Theaterstück.
"Ich glaube, dass auf diesen Sieg der Liebe jede Gesellschaft, wie pathetisch das auch klingen mag, aufbaut. Denn dieser Sieg erhält das Leben. Wenn es einen Grund gibt, dann ist es die Liebe. Und deshalb kann es überhaupt Hoffnung geben."
Ein literarischer Grenzüberschreiter
"Ich bin ein neugieriger Mensch und will daher verschiedene Genres ausprobieren. Ich habe bisher nichts ausgelassen - nur Libretto habe ich noch keines geschrieben. Ich mag diese Herausforderung, ich bin so ein Grenzüberschreiter. Und wechsle oft die vertrauten Felder, so wie ich die Heimat gewechselt habe. Ich wechsle zwar die Genres, aber natürlich nicht die Themen, die mich interessieren", erläutert Dinev sein Interesse am Theater.
"Ich habe ja Drehbücher geschrieben - da ist der Sprung zum Theater nicht so groß. Aber sie sind vor allem für Spezialisten zu lesen. Und ein Bühnenstück ist so etwas zwischen Drehbuch und Prosa. Wenn ich Prosa schreibe, denke ich mir: es wäre nicht schlecht, wenn ich jetzt Dialoge schreibe. Aber in der Prosa kann ich wählen, ob ich die Dialoge in direkter oder indirekter Form schreibe. Das geht bei einem Stück natürlich nicht. Was mich am Theater reizt, ist diese andere Zeitlichkeit. Wenn man einen Roman schreibt, hat man alle Zeit der Welt, um eine Geschichte zu erzählen. Bei einem Theaterstück hat man zwei Stunden - das ist eine Herausforderung", so Dinev, der als eines seiner ersten Werke in deutscher Sprache zwar bereits ein Theaterstück verfasst hat, das 1999 im WUK aufgeführt wurde, aber durch den kleinen Rahmen damals keine größere Beachtung fand.
Uraufführung an Mozarts Sterbetag - ein Wink?
Befragt, ob es nur ein Zufall ist, dass sein Stück "Haut und Himmel" gerade am 5. Dezember, dem Todestag Mozarts, im Rabenhof uraufgeführt wurde, meint Dimitré Dinev:
"Es ist sicher ein Zufall, denn die Aufführung wurde aus Dispositionsgründen von September auf diesen Termin verschoben. Entweder glaubt man an Zufälle, oder an Schicksalhaftes. Aber es ist ja nicht nur Mozarts Todestag, sondern auch Krampus - und das ist doch ein teuflischer Stoff. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Heinz Weixelbraun einer der ersten Österreicher war, den ich vor 15 Jahren im Lager Traiskirchen kennen lernte. Und nun treffen wir einander wieder, und er spielt in meinem Stück", so der erfolgreiche Schriftsteller.
Interesse auch als Librettist
"Mit einem Libretto möchte ich mir noch Zeit lassen. Da müsste eine ruhigere Zeit kommen. Denn in diesem Genre gelten andere Gesetze; der Text muss viel musikalischer sein. Und viele Worte sind im Deutschen nicht so schön zum Singen - wie zum Beispiel Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitsbewilligung, das berührt nicht unbedingt das Herz. Aber erst kürzlich hatte ich eine Anfrage für ein Libretto - wer weiß", erklärt Dinev, der durch seine Schulzeit eine Beziehung zur Mozart hat, lachend.
Weitere Stücke am Akademietheater und Volkstheater
Bereits im April wird Dinevs nächstes Stück "Das Haus des Richters", in dem es um die Sage von Daedalus und Ikarus geht, uraufgeführt. Und auch für das Wiener Volkstheater arbeitet er an einem Auftragswerk, das nach Motiven seiner Erzählungen entsteht und im Herbst 2007 gezeigt werden soll.
"Es gibt nichts Schwierigeres und Kräfteraubenderes, als einen Roman zu schreiben. Am Schluss ist man sehr erschöpft. Ich hatte nach den 'Engelszungen" so eine Phase, die sehr hart für mich war. Daher wollte ich mich nun konsolidieren. Und die Befriedigung, für das Theater zu schreiben, ist sehr groß."
Der nächste Roman folgt
"Ich wehre mich gegen diesen Marktdruck, der heute auch in der Literatur herrscht. Warum soll man jedes zweite, dritte Jahr einen Roman liefern? Es hilft keinem Autor - und ist auch für das Publikum oft enttäuschend. Dem wollte ich entgehen", stellt der Schriftsteller fest.
Ob in absehbarer Zeit ein weiterer Roman folgt? "Ich habe schon einen Stoff - das wird mein nächster Roman. Ich bin abergläubisch, daher verrate ich erst etwas, wenn ich den ersten Satz geschrieben habe - es geht darin um Menschen der Gegenwart", so Dimitré Dinev.
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CD-Tipp
Ö1 CD "80 Jahre Radio: Dichter Hören", 16 Autorinnen und Autoren über das Medium Radio, mit Karl-Markus Gauß, Friederike Mayröcker, Peter Henisch, Elfriede Jelinek, Milo Dor, Marlene Streeruwitz, Michael Köhlmeier, Ilse Aichinger, Franz Schuh, Franzobel, Christine Nöstlinger, Dimitre Dinev, Robert Schindel, Barbara Frischmuth, Felix Mitterer und Antonio Fian, ORF-Shop, Bestell-Nummer: 2008020
Veranstaltungs-Tipp
Dimitré Dinev, "Haut und Himmel", Rabenhoftheater, Uraufführung: Dienstag, 5. Dezember 2006, Beginn: 20:00 Uhr, weitere Vorstellungen: 8., 9., 15. und 16 Dezember 2006, 15. bis 20. Jänner 2007 (Beginn jeweils 20:00 Uhr).
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