Auf der Suche nach neuer Musik

John Peels Memoiren

Genres wie Punk, Reggae oder Hip-Hop hätten höchstwahrscheinlich ein ganz anderes Gesicht ohne John Peels ansteckende Begeisterung für Unentdecktes. John Peel war Radiomoderator und Diskjockey, seine BBC-Sendungen wirkten weltweit.

Was haben Jimi Hendrix, David Bowie, Roxy Music, The Smiths, Nirvana und die White Stripes gemeinsam? Viele würden wir vielleicht nicht kennen, wenn ihnen John Peel nicht im richtigen Moment einen wesentlichen Karriere-Schub verpasste. Auch ganze Genres wie Punk, Reggae oder Hip-Hop hätten höchstwahrscheinlich ein ganz anderes Gesicht ohne seine ansteckende Begeisterung für Unentdecktes.

John Peel war über 40 Jahre lang Radiomoderator und Diskjockey. Seine weltweit ausgestrahlten BBC-Sendungen waren geprägt von seiner obsessiven Suche nach neuer, spannender Musik und seiner konsequenten Abneigung von jeglichem Mittelmaß. Vor knapp zwei Jahren starb er 64-jährig an einem Herzinfarkt.

In Liverpool geboren

Seine bereits begonnene Autobiografie haben seine Frau Sheila und seine vier Kinder nun unter dem Titel "John Peel: Memoiren des einflussreichsten DJs der Welt" fertiggestellt.

Der 1939 in der Nähe von Liverpool geborene John Ravenscroft, der sich erst später Peel nannte, war nicht schön und im Grunde auch sehr schüchtern und begeisterte dennoch ein Millionenpublikum weltweit. Seine Trümpfe waren bedingungslose Besessenheit, was das Suchen und Finden von empfehlenswerter Musik betraf und sein unvergleichlich selbstironischer Humor gepaart mit einer verblüffend herzlichen Offenheit.

Großes Herz für junge Bands

Da war einer, der den ganzen Tag mit musikalischen Forschungen verbrachte, Millionen neu erschienener Schallplatten sein Ohr schenkte und als wahrscheinlich einziger Radio-DJ der Welt auch alle ihm zugesandten Demo-Bänder von jungen, unbekannten Bands tatsächlich durchhörte.

Für viele kontroversielle Musiker war John Peel die einzige Möglichkeit, im Radio gespielt zu werden, weshalb sie ihm sogar vor seinem Haus auflauerten oder seinen Kindern Demo-Bänder mit Band-Infos für den Herrn Papa zusteckten.

Sieben Jahre USA

John Peel beginnt seine Memoiren mit seiner Kindheit in Liverpool, geprägt von deutschen Flugzeugen, die über sein Haus flogen und zumeist grausamen Erfahrungen in diversen Schulen, Internaten und schließlich beim Militär. Danach verbrachte er insgesamt sieben Jahre in den USA und leckte Blut, als er 1961 zum ersten Mal hinter dem Mikrofon eines Radiosenders stand.

Mitten in seinen amerikanischen Erinnerungen stoppt die durch zahlreiche Anekdoten und Exkurse stets spannend gehaltene Erzählung. John Peel starb 2004 auf einer Peru-Reise völlig unerwartet an einem Herzinfarkt. Seine Frau Sheila Ravenscroft, die er stets liebevoll "The Pig" nannte, schrieb die Biografie fertig, um deren Rechte mehrere Verlage mit spektakulären Summen gekämpft haben.

Trockener britischer Humor

Anhand von Tagebucheintragungen, Briefen, Fotos und natürlich eigenen Erlebnissen setzte sie die Peelsche Lebensgeschichte mit dem auch ihr gegebenen trockenen britischen Humor nahtlos und ohne Stilbruch fort.

Liest man die vielfältigen Erlebnisse des weit gereisten DJs, so drängen sich ohnehin Parallelen zur Filmfigur Forrest Gump auf. Peel war als Liverpool-Fan bei der wohl größten Fußball-Tragödie im Brüsseler Heysel-Stadion ebenso dabei, wie etwa 1963 in Dallas beim Prozess gegen Lee Harvey Oswald. John F. Kennedy verwickelte er zwei Jahre davor in ein Gespräch über die Unterschiede von England und Texas, als zufällig dessen Wahlkampftross ebenfalls in Dallas direkt vor ihm zu stehen kam.

Kompromissloser Maniac

Angeberei ist dem Briten mit dem schütteren Haar und der sonoren Stimme aber nicht vorzuwerfen. Ganz im Gegenteil ergibt sich eher das Bild eines kompromisslosen Maniacs, der stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Auch die Auffassung seines Berufes zeugt von Bescheidenheit und Respekt:

Es ist offensichtlich, dass Discjockeys im Grunde genommen eine Kaste von Parasiten darstellen. Wir sind - mit beklagenswert wenigen Ausnahmen - weder kreativ noch produktiv. Unser Umgang mit den Schöpfungen anderer versetzt uns allerdings in die Lage, uns zu Lenkern des öffentlichen Geschmacks aufzuschwingen.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:45 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung "Kontext" jeweils nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Buch-Tipp
John Peel und Sheila Ravenscroft, "John Peel. Memoiren des einflussreichsten DJs der Welt, aus dem Englischen von Christoph Hahn, Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, ISBN: 3807710213

Links
BBC Radio 1 - Keeping It Peel
Wikipedia - John Peel