Singen fördert die soziale Kompetenz

Über die vielfältige Wirkung von Tönen

Kinder, die ein Instrument lernen, rechnen flinker als ihre Kollegen. Chorsingen fördert die soziale Kompetenz. Wie wirkt Musik, und warum? Wissenschaftler haben die Wirkung des Musikunterrichtes auf die Entwicklung der Kinder evaluiert.

Es scheint unbestritten, dass Musik auf das Befinden des Menschen Einfluss nimmt. Doch wie wirkt Musik, und warum? Was Biologen akribisch scannen, messen und berechnen, haben Sozialwissenschafter und Pädagogen längst empirisch erhoben: Kinder, die ein Instrument lernen, rechnen flinker als ihre Kollegen. Chorsingen fördert die soziale Kompetenz. Und rhythmische Spiele erhöhen die Konzentrationsfähigkeit.

Wir fühlen uns innerlich verändert, umgewandelt, wenn wir Musik hören. Wie könnte das geschehen, wenn nicht Harmonie und Rhythmen eine innere Verwandtschaft mit der Seele und ihren Zuständen und Bewegungen hätte. (Aristoteles "Politik. Schriften zur Staatstheorie", übersetzt von Ernst Grumach)

Im Gleichklang mit der Musik

Die Musikwirkungsforschung ist ein interdisziplinäres Anliegen. Neurologen, Biologen, Psychologen, Physiker, Mathematiker, Sprach- und Sozialwissenschafter erforschen, warum Menschen, wie, wie oft, wie lange Musik hören, und was Musik bewirkt.

Die Chronobiologie sieht sich im Gleichklang mit der Musik: Der Physiker Hanns Ulrich Balzer vom Forschungsnetzwerk Mensch und Musik aus Salzburg: "Die Chronobiologie ist die Lehre von den zeitlichen und strukturellen Veränderungen im Organismus. Untersucht wird, wie und in welchem zeitlichen Ablauf die Organe miteinander funktionieren."

Therapeutischer Nutzen

Das Zusammenspiel der verschiedenen Körperfunktionen ist mit einem Orchesterklang vergleichbar, sagt Hanns Ulrich Balzer, in dem jedes Instrument seine Klangfarbe behält, sich jedoch dem Rhythmus der Komposition unterordnet.

Die Wissenschafter entdeckten, dass mit Musik die chronobiologischen Vorgänge im Menschen beeinflusst werden können. Denn nicht nur der Rhythmus der Musik, auch die Frequenzen, die Lautstärke und die Tonfolgedichte lösen im biologischen System des menschlichen Körpers Reaktionen aus. Diese Erkenntnisse sollen für medizinisch therapeutische Zwecke verwendet werden.

Macht Musik intelligenter?

Der Musikpädagoge Hans Günther Bastian von der Johann Wolfgang von Goethe Universität in Frankfurt am Main hat die Wirkung des Musikunterrichtes auf die Entwicklung der Kinder evaluiert. In einer für sechs Jahre anberaumten Langzeitstudie wurden fünf Berliner Grundschulen begleitet, die den Schwerpunkt Musik anboten. Das heißt: diese Schulen hatten in ihrem Stundenplan zwei Stunden Musikunterricht vorgesehen.

Die Kinder spielten alle ein oder mehrere Instrumente und sie musizierten gemeinsam im Schulchor und dem Schulorchester. Über sechs Jahre lang beobachtete nun das Frankfurter Team die Entwicklung dieser Kinder und verglich sie mit einer so genannten Kontrollgruppe: mit Kindern, die an der Grundschule nur eine Stunde Musikunterricht hatten.

Soziale Kompetenz gefördert

Laut der Frankfurter Studie "Musikerziehung und ihre Wirkung" wird die soziale Kompetenz der Schüler vor allem durch den Ensembleunterricht gefördert. So werden in den musikalischen Schwerpunktklassen doppelt so viele Kinder als rundum positiv erlebt wie in der Vergleichsgruppe. Nur wenige Kinder werden in den Musikklassen ausgegrenzt.

Besonders erfreulich für die Autoren der Studie ist, dass die schulische Gesamtleistung der Kinder gut ist - trotz des zeitlichen Mehraufwandes, den die Schüler für Proben und Üben leisten müssen.

Höherer IQ

Auch die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten der Kinder wurde beobachtet. So heißt es zusammenfassend in der Studie: "Bereits für sechs- bis siebenjährige Kinder stellen wir einen monoton steigenden Zusammenhang zwischen musikalischer Begabung und Intelligenz fest. Mit höherem Musikalitätsscore steigt auch der IQ-Wert."

Mehr zu Chronobiologie in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 27. November bis Donnerstag, 30. November 2006, 9:45 Uhr

Buch-Tipps
Daniel Goldman, "Emotionale Intelligenz", übersetzt von Friedrich Griese, Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 3423360208

Theodor W. Adorno, "Musik, Sprache und ihr Verhältnis im gegenwärtigen Komponieren" Aus: Gesammelte Schriften in 20 Bänden, Band 16, Suhrkamp Verlag

Hans Günther Bastian, "Musikerziehung und ihre Wirkung. Eine Langzeitstudie mit Berliner Grundschulen." Atlantis Schott Verlag, ISBN 379570426X

Hans Günther Bastian, "Kinder optimal fördern - mit Musik", Atlantis Schott Verlag, ISBN 3254083814