Der Begründer der österreichischen Orientalistik
Entmystifizierter Orient
Joseph von Hammer-Purgstall ist als Begründer der österreichischen Orientalistik bekannt. Auch die Gründung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist größtenteils ihm zu verdanken. Sein enormes Lebenswerk ist bis heute Gegenstand der Forschung.
8. April 2017, 21:58
Aus der Feder von Joseph von Hammer-Purgstall, der 1774 als Joseph Hammer in Graz geboren wurde, stammen rund 100 umfangreiche Werke, meist Übersetzungen arabischer, persischer und türkischer Klassiker. Von 1789 bis 1794 besuchte er die Orientalische Akademie in Wien, die unter Maria Theresia zur Heranbildung von Diplomaten gegründet worden war.
Sekretär, Konsulatangestellter und Diplomat
Hammer kam 1799 als Dolmetscher nach Istanbul. Napoleons Ägypten-Feldzug sorgte gerade für internationale Spannung, das Osmanische Reich befand sich im Krieg mit Frankreich, und Englands Kriegsflotte verhinderte die Einnahme der Festung Akko durch die Franzosen. Hammer wurde Sekretär von Sir William Sidney Smith, dem Commodore eines britischen Flaggschiffs, das an der Seeblockade von Ägypten beteiligt war. Danach war Hammer einige Monate am österreichischen Konsulat in Kairo tätig.
1801/02 hielt er sich in England auf, kehrte nach Istanbul zurück und arbeitete dort bis 1806 als Legationssekretär der österreichischen Gesandtschaft. Nach einem weiteren Jahr als Österreichs diplomatischer Vertreter im Fürstentum Moldau kehrte er nach Wien zurück.
Ein umfangreiches Werk
Als Hofdolmetsch in Wien gab Hammer-Purgstall cirka von 1809 bis 1819 die Zeitschrift "Fundgruben des Orients" heraus, um die ein Netzwerk von Wissenschaftlern entstand. Seine komplette Übersetzung einer der berühmtesten persischen Gedichtsammlungen, des Diwan des Hafis von Schiraz, inspirierte Goethe maßgeblich zu seinem "West-östlichen Diwan". Die Nachdichtungen Hammers haben wohl auch Friedrich Rückerts poetischen Ansatz im Umgang mit arabischen Texten beeinflusst.
Hammers Übertragung noch unübersetzter Märchen aus den "Tausend und ein Nächten" zählt zu den bekannten Beispielen populärer Literatur. Weniger bekannt ist, dass er fast die Hälfte des Koran und eine große Zahl von Aussprüchen des Propheten Muhammad ins Deutsche übertrug. Aus Koran-Zitaten und islamischen Gebetbüchern stellte Hammer eine Sammlung von Bittgebeten zusammen, die "Zeitwarte des Gebetes", die er als religionsübergreifend betrachtete.
Erfolge und Misserfolge
Hammer hatte eine idealisierte Sicht der alten arabischen Kultur, in der Realität aber sah er den beginnenden Niedergang des Osmanischen Reiches. Staatskanzler Metternich teilte seine kritische Einschätzung des "kranken Mannes am Bosporus" jedoch nicht. Obwohl er Hammer als Gelehrten schätzte, war Metternich nicht bereit, ihn wieder als Diplomaten nach Istanbul zu entsenden - ein Traum Hammers, der unerfüllt blieb.
Hingegen konnte er die Gründung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1847 als Erfolg verbuchen. Zwei Jahrzehnte hatte sich Hammer-Purgstall für dieses Projekt eingesetzt, doch blieb er lange unverstanden und fand wenig offizielle Unterstützung.
Auch ein Gesellschafts- und Familienmensch
Trotz seines enormen Arbeitsvolumens war Joseph von Hammer-Purgstall auch Gesellschafts- und Familienmensch. Durch seine Freundschaft mit den Grafen Purgstall erbte er deren Stammsitz, das Schlösschen Hainfeld in der Steiermark. Hammer führte seither den Doppelnamen und wurde in den Freiherren-Stand erhoben.
Seine voluminöse Autobiografie entstand größtenteils während der Sommerfrische in Hainfeld. Er starb 1856 in Wien und wurde in Weidling bei Klosterneuburg bestattet. Das von ihm selbst entworfene Grabmal trägt Inschriften in den zehn Sprachen, mit denen er vertraut war - ein Intellektueller in der Zeit des Übergangs von privater Gelehrsamkeit zum modernen Hochschulwesen, ein Weltbürger, der in europäischen Dimensionen dachte und Brücken des Verständnisses zum islamischen Orient baute.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 23. November 2006, 19:05 Uhr
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Österreichische Orient-Gesellschaft