Verstreute Andenken
Oskar Schindlers Krakau
Das Interesse an der Geschichte des Oskar Schindler ist noch immer am Leben. Dereinst hat er Hunderten verfolgten Menschen das Leben gerettet. Im polnischen Krakau steht seine einstige Wohnung. Aus Schindlers Fabrik Emalia soll ein Museum entstehen.
8. April 2017, 21:58
"Das Haus liegt sehr schön."
Im zweiten Stock mit Balkon und Parkblick hat er gewohnt, der Geschäftsmann Oskar Schindler. Geschäftsmann - manche schimpfen Oskar Schindler einen "Kriegsgewinnler", der mit konjunkturbedingt billigen Arbeitskräften Kapital aus dem Bedarf an Kriegszubehör schlug, indem er Emaillegeschirr für Frontsoldaten produzierte.
Und doch ist Oskar Schindler eine jener Personen, die in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als "Righteous Among the Nations" geführt werden. Die Entscheidungen und Handlungen Schindlers in Krakau, mit denen er im Zweiten Weltkrieg Hunderten von verfolgten und verfemten Menschen das Leben rettete, waren ausschlaggebend für seine Würdigung mit einem Ehrentitel in Jerusalem und für Oskar Schindlers Protagonisten-Rolle in einem Bestseller und in einem Leinwand-Epos.
Seine Wohnung in Krakau übernahm Oskar Schindler von einer vertriebenen Familie. Das graue Wohnhaus mit den weitläufigen Patrizierwohnungen liegt am Fuße des Wawel-Hügels, jenes historisch bedeutungsvollen Ortes, wo polnische Könige gekrönt wurden, lange bevor in der NS-Zeit der infame Generalgouverneur Hans Frank auf eben diesem Wawel sein fatales Lager aufschlug.
Angeblich, so erzählt man sich in Krakau, ertrug der fanatische Nationalsozialist Hans Frank nicht, dass sich das Zentrum des jüdischen Lebens von Krakau just unter seinen Augen im synagogenreichen Kazimierz abspielte. Frank verbannte die jüdische Bevölkerung aus Kazimierz auf die andere Seite des Flusses Weichsel, wo er ein menschenunwürdiges Ghetto errichten ließ, von dem heute nur wenige Mauerreste als Mahnmal übrig sind.
"Whoever saves one live, saves the world entire" ist auf einer an den 1974 gestorbenen Oskar Schindler erinnernden Gedenktafel in Krakau zu lesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg litt Oskar Schindler an chronischem Geldmangel. Aus der prekären pekuniären Situation retteten den Ex-Dandy die von ihm Geretteten, deren manche eine große Karriere gemacht hatten.
Voller Dankbarkeit taufte einer der Erfolgreichen, seines Zeichen Immobilienunternehmer in New Jersey, die Hauptstraße in einem von ihm errichteten Geschäftsviertel "Schindler's Drive". Zunächst stieß der Immo-Tycoon mit seiner Wahl eines deutschen Straßennamens auf heftige Ressentiments. Erst als Regisseur Steven Spielberg den Namen Oskar Schindler in aller Munde brachte, wurde auch der Straßenname in New Jersey begeistert angenommen.
In Krakau existieren Pläne für ein Schindler-Museum, doch sie liegen auf Eis. Das Geld für eine ausführliche Dokumentation und eine Adaption des Gebäudes von Schindlers Fabrik Emalia ist noch nicht aufgebracht, doch das Interesse an Schindlers Geschichte ist lebhaft. Immer wieder finden Krakau-Besucher den Weg zur Fabrik Emalia, wo ihnen der Wärter Einlass verschafft. Der Genius Loci ist vielleicht am meisten spürbar im Büro von Isaak Stern, Schindlers Buchhalter, eben jener, der die berühmte rettende Liste anlegte.
Mehr zur Oskar Schindlers Biografie in science.ORF.at
Hör-Tipp
Ambiente, Sonntag, 19. November 2006, 10:06 Uhr
Mehr dazu in Ö1 Programm
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Link
Yad Vashem