Ein Porträt von Wolf Biermann

Der "Drachentöter" aus dem Osten

Wolf Biermann zählte zu den radikalsten Kritikern der Parteidiktatur in der DDR. Als er im November 1976 nach einem Konzert in Köln aus der DDR ausgebürgert wurde, löste er eine Protestbewegung aus, die viele als den Anfang vom Ende des SED-Regimes sehen.

Als vor mehr als 30 Jahren dem Dichter und Liedermacher Wolf Biermann nach einem Auftritt in Köln die Staatsbürgerschaft der DDR entzogen wurde, löste das ein politisches Erdbeben in Ost und West aus. Die unerwarteten Solidaritätskundgebungen mit dem Künstler rückten die Entscheidung des SED-Politbüros in ein schlechtes Licht. Rückblickend sehen viele die Ausbürgerung Wolf Biermanns als den Anfang vom Ende der DDR.

Nach seiner Ausreise folgten zahlreiche Konzerte im Ausland. Eine Zeit lang hielt sich Biermann in Paris auf. Heute lebt er wieder in seiner Geburtstadt Hamburg. 2006 ist er 70 Jahre alt geworden, aber in seiner Kritik - auch an den westlichen Zuständen - kein bisschen leiser.

Ich war damals westdumm

Seine neuen Bücher und Lieder erzählen vom Leben in Ost und West. Durchaus selbstkritisch reflektiert er heute seine ersten Jahre im Westen: "Ich war damals westdumm", sagt er, "so wie viele aus dem Osten heute noch westdumm sind. Ich hatte keine Ahnung von den Verhältnissen hier, aber als 'Drachentöter' durfte ich natürlich mein Maul nicht halten".

Eine eigene Biermann-Edition mit über 20 CDs, die exklusiv im Verlag Zweitausendeins erschienen ist, darunter Lieder wie "Es gibt ein Leben vor dem Tod", "Wir müssen vor Hoffnung verrückt sein" oder "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu", zeigt eindrucksvoll, dass Biermann auch im Westen nicht verstummt ist.

Sein "rosarotes Vaterland"

Wolf Biermann wird am 15. November 1936 in Hamburg geboren. Beide Eltern waren Arbeiter und Kommunisten. Sein jüdischer Vater wird verhaftet und 1943 nach Auschwitz geschickt, wo er von den Nazis ermordet wird.

Im Juli und August 1943 fallen die Bomben auf Hamburg. 55.000 Menschen sollten in den Flammen sterben. 53 Prozent der Stadt und 60 Prozent der Hafenanlagen werden zerstört. In mehreren Liedern singt Wolf Biermann von der "brennenden Stadt", denn sie beeinflusst sein künftiges Handeln und Tun nachhaltig. In jener Bombennacht im Juli 1943 gelingt ihm nämlich gemeinsam mit der Mutter die Flucht - durch die Flammen und das brennende Wasser hindurch.

1953 - im Alter von 16 Jahren - übersiedelt Biermann aus seiner Vaterstadt Hamburg in sein - wie er heute sagt - "rosarotes Vaterland", in die DDR. Auf die erste Euphorie sollte freilich dann sehr bald schon die Ernüchterung folgen, denn der Zorn und die Wut im Umgang mit der Staatsmacht in der DDR wuchs von Tag zu Tag.

Sein Leben bis zur Ausbürgerung

"Je mehr ich lernte, je älter ich wurde, umso mehr kamen mir Zweifel über das selbst gewählte Paradies", erinnert sich Wolf Biermann an damals: "Zuerst kommt der Selbstzweifel, dann die furchtbare Erkenntnis, dass man belogen, betrogen und bespitzelt wird, dass das vermeintliche Paradies ein Polizeistaat ist."

In der DDR studiert er Wirtschaftswissenschaften, Philosophie und Mathematik. Er wird Regieassistent am Brecht-Theater "Berliner Ensemble"; danach gründet und leitet er des b.a.t.-Theater im Prenzlauer Berg bis zu dessen Verbot 1963. Seine Lieder, die er schrieb und vortrug, werden nach und nach verboten. Ab November 1965 hat Biermann absolutes Auftritts- und Publikationsverbot.

Seine Lieder und Gedichte verbreiten sich in der DDR durch Handabschriften und Tonbandkopien. Der unbequeme Kritiker darf allerdings zu Konzerten in den Westen fahren; die DDR-Obrigkeit hofft dadurch, dass er freiwillig im Osten bleibt. Nach einem Konzert für die IG Metall in Köln wird er dann schließlich ausgebürgert.

Vater von zehn Kindern

Wolf Biermann - seit 1989 in zweiter Ehe mit Pamela Biermann verheiratet - ist Vater von zehn Kindern, drei davon hat er mit seiner Frau Pamela. Erst gestern seien sie alle hier gewesen, um gemeinsam zu feiern, erzählt er in seinem Haus in Hamburg seinem österreichischen Gast. Die Kinder würden auch gut miteinander auskommen. Dabei zeigt er einige neue Texte her. Vor wenigen Tagen hätte er sie erst geschrieben, er sei noch am Üben, wie das mit der Gitarre klingen könnte:

"Wissen Sie, was ich in der DDR am liebsten gemacht habe?", fragt er plötzlich. "Ich hab allen, die mich besucht haben, meine neuen Lieder vorgesungen". Und so kommt es zu einer besonderen Premiere: Wolf Biermann greift zur Gitarre und singt für den Gast aus Österreich ein Lied, das zu jenem Zeitpunkt noch auf keiner Aufnahme zu finden war.

Hör-Tipps
Radiokolleg - Porträt Wolf Biermann, Montag, 18. Jänner bis Donnerstag, 21. Jänner 2010, 9:45 Uhr

Menschenbilder, jeden Sonntag, 14:03 Uhr

Buch-Tipp
Wolf Biermann, "Heimat. Neue Gedichte", Verlag Hoffmann und Campe, ISBN 3455400361

Hörbuch-Tipp
Wolf Biermann, "Heimat. Neue Gedichte", Hoffmann und Campe Hörbuch, 1 CD, Spieldauer 73 Min., ISBN (10) 3455304788, ISBN (13) 9783455304787

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Links
Zweitausendeins - Buchinformationen
Wikipedia - Wolf Biermann