"Literatur lädt ein zur Identifikation"

Von der Schönheit

Dem neuen Roman von Zadie Smith, ihrem drittten, eilt der Ruf voraus, ein Weltbestseller zu werden. Ein Blockbuster sei er. Aber manchmal ist der beste Dienst, den man einem Buch erweisen kann, der, Erwartungen ein wenig zu dämpfen.

Sie ist tatsächlich so wie es in den Zeitungen steht: märchenhaft schön, aber auch deutlich müde. Auf ihrer Stirn zwei tiefe senkrechte Zornesfalten. Seit Erscheinen ihres neuen Romans "Von der Schönheit" absolviert sie unablässig Pressetermine. Und jedem, der es hören will, hat sie es gesagt: Ich brauche eine Pause. Nicht vom Schreiben, sondern eine Pause in meiner Rolle als öffentliche Person.

Smiths neuem, dritten Roman eilt ein gigantisch guter Ruf voraus. Ein Weltbestseller. Ein Blockbuster ist er. Aber manchmal ist der beste Dienst, den man einem Buch erweisen kann, der, Erwartungen ein wenig zu dämpfen. Eine vor Lebendigkeit überschäumende transatlantische Familiengeschichte ist es, die Zadie Smith da geschrieben hat. Aber die Leser hierzulande werden es mit ihrem Roman "Von der Schönheit" nicht leicht haben. Und das liegt vor allem am Thema.

Nur das Original ist das Original
Ihre komödiantische Campus-Novelle spielt an einer amerikanischen Elite-Hochschule. Es geht um political correctness, Minderheiten-Förderung, die fliegenden Märkte haitianischer Migranten und neokonservative Moralprediger im Clinch mit linksliberalen Intellektuellen. Alles genuin amerikanische Schlachtfelder der Gegenwart. Wir haben davon schon in der Zeitung gelesen. Das reicht aber nicht, um jeder Anspielung im Buch folgen zu können. So gut die Übersetzung auch sein mag: An diesen Stellen zündet der Smith’sche Witz einfach nicht.

Die Ödnis des Schreibens
Übrigens leicht hatte Zadie Smith es ihrerseits mit diesem Roman auch nicht. Warum? Im Interview sagt sie: "Schreiben ist ein sehr langsamer Prozess. Man hat eine Menge Selbsthass zu überwinden. Es gibt Tage voller Brechreiz. Schriftstellerei, das ist eben mehr als nur eine Seite zu schreiben. Und dann: Oh, ist das gut. Nein, es ist ein langsamer, verdammt einsamer Job. Die meisten Leute gehen zur Arbeit und da sind andere Leute. Ich verbringe buchstäblich fünf Jahre allein in meinem Schreibzimmer, und zwar alleine. Und da ist es manchmal sehr sehr öde."

Absolut nicht öde ist Zadie Smiths neuer Roman überall dort, wo sie ihre Heldin Kiki Belsey auftreten lässt, die schwarze, 125 Kilo schwere Ehefrau des weißen Kunsthistorikers Howard Belsey. Sie hat den Verdacht, dass ihr Mann seit kurzem anderen Frauen nachstellt. Ausgerechnet an ihrem 30. Hochzeitstag entdeckt sie, wer ihre Konkurrentin ist: Claire Malcom, die Kollegin ihres Mannes, eine spindeldürre Lyrik-Spezialistin.

Ich weiß gar nicht, warum mich das noch überrascht. Ich meine, Du merkst ja nie etwas. Du hältst das für normal. Aber wo immer ich bin, bin ich allein in diesem Meer aus .. Meer aus WEISS! Ich kenne praktisch keine schwarzen Leute mehr, Howie. Mein ganzes Leben: WEISS. Schwarze Leute sehe ich nur, wenn sie unter meinen Füßen den Boden wischen. Ich habe Dir mein Leben gewidmet, Howie. Ich weiß nicht einmal mehr, wer ich bin.

Big Mama Kiki Belsey ist sowieso die große Heldin dieses Romans. Schon allein, weil sie eine so saftige, starke und lebenszugewandte Person ist und weil, anders als bei den Akademikern, mit denen sie es zu tun hat, ihre Worte tatsächlich etwas bedeuten.

Der Literatur die Zähne zeigen
Zadie Smiths Komödie nimmt die Rechthabereien eingebildeter Geistesgrößen aufs Korn; dabei hat sie ihre Antipathie gerecht zwischen den Vertretern eines verlogenen mitfühlenden Konservatismus à la George Bush und intellektuellen Gutmenschen, wie ihre Figur Howard Belsey eine ist, aufgeteilt.

Die 31-jährige Autorin, die letztes Jahr acht Monate in der amerikanischen Eliteuniversität Harvard unterrichtete, wollte selbst eigentlich Professorin werden. Seitdem sie allerdings mit ihrem Debüt "Zähne zeigen" einen Weltbestseller hinlegte, will sie das nicht mehr. Jetzt weiß sie, was sie an der Literatur hat: "Sie ist ein Feld für Experimente, für das Ausprobieren neuer Formen zu denken und zu handeln. Eine Modellwelt. Sogar ganz schlechte Geschichten bieten diese Möglichkeiten. Literatur lädt ein zur Identifikation. Dazu, dass der Leser sich als Mitfühlender neu erlebt. Bücher sind immer Orte, an denen der Leser sein Gewissen trainiert und Standpunkte überdenkt."

Zadie Smiths Ton lebt von seiner Überzeugungskraft. Ihre Perspektive auf die Wirklichkeit ist von einer spontanen Klugheit, den Menschen zugewandt, dabei weit entfernt von jeder politcal correctness. Ihre Romane wirken leicht. Sind aber, wie die Autorin immer wieder versichert, nicht leicht zu schreiben. Deshalb: Der beste Moment ist der, wenn das Buch fertig ist.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Zadie Smith, "Von der Schönheit", Kiepenheuer & Witsch 2006, ISBN 3462037161